Dienstag, 12. November 2019

Harte Bretter bohren: Überzeugungsarbeit beim Hausarzt

Mein Gewicht heute früh: 101,2 Kilogramm nach einem verkürzten Wochenende, denn ich habe außer der Reihe schon gestern statt heute gefastet, weil ich heute meinen Arzttermin hatte und dachte, er würde mich dann möglicherweise wiegen. (Tat er dann aber gar nicht.) Zufrieden bin ich trotzdem mit diesem Wert, auch wenn es nun natürlich zwei Eßtage hintereinander geben wird und ich, wie gestern, am Donnerstag voraussichtlich wieder mit 103,x anfangen werde. Immerhin war das heute morgen mein drittniedrigster Wert überhaupt, die Richtung stimmt also. Interessant wird es dann hoffentlich nächste Woche mit wieder drei Fastentagen.

Mit meinem Hausarzt hatte ich heute ein ca. eine halbe Stunde lang dauerndes Streitgespräch über die Frage, welche Rolle die Energiezufuhr und der Energieverbrauch beim Zu- und Abnehmen spielen. Ein Arzt, der sich überhaupt auf so ein Gespräch einläßt und ihm dermaßen viel Zeit widmet (die niemand ihm bezahlen wird!), ist ja schon ein Glücksfall. Wie ich vermutet hatte, drang ich bei diesem Thema aber - jedenfalls für diesmal - nicht zu ihm durch. Aus seiner Sicht liegt der Erfolg des Fastens in der Kalorienreduktion. Meine Einwände, daß Diäten mit vergleichbar verringerter Energiezuführung nicht dieselbe Wirkung haben, bezeichnete er einfach als falsch: Würden die Diäthaltenden ihre Diät wirklich vorschriftsmäßig umsetzen, dann würde sie ebenfalls funktionieren. Der Casus Knacksus sei, daß sie aber nicht durchgehalten würden.

Egal, aus welcher Richtung ich gegen seine Überzeugung anargumentierte, nur einmal, bei der Frage des Energieverbrauchs, hatte er dann doch auch keine ernst gemeinte Antwort mehr, als ich nämlich als Beispiel meine Schwester erwähnte, die nachdem sie als Briefträgerin begonnen hatte, über zehn Kilogramm abgenommen hatte, bei der aber - ebenso wie das bei Diäten typisch ist - die Abnahme nach ca. einem halben Jahr ins Stocken kam und danach eine Wiederzunahme auf ihr altes Gewicht einsetzte (das übrigens im Normalbereich gelegen hatte). Er meinte nämlich - aber er lachte dazu -, dann hätte sie nach dem halben Jahr vielleicht nur noch halb so viel Post zu transportieren gehabt. Ich lachte ebenfalls, aber ich fürchte, meine Schwester, die sich über die ständig zunehmende Arbeitsbelastung bei der Post ärgert, hätte sich wohl ziemlich über diesen Punkt aufgeregt. Jeder Mensch hat irgendeinen wunden Punkt, bei dem er keinen Spaß mehr versteht; bei ihr ist es diese Sache.

In dem Gespräch habe ich auch erfahren, daß mein Arzt selbst letztes Jahr ziemlich stark abgenommen hatte (auf Kalorienbasis), nun ums Gewichthalten ringt ("geht nur mit Sport", so seine eigene Erfahrung), und der Meinung ist, in seinem Alter nie wieder den Normalgewichtsbereich erreichen zu können. Da wundert es mich natürlich nicht mehr, daß ich argumentativ nicht zu ihm durchgedrungen bin, denn er muß sich gedanklich ziemlich viel mit Abnehmen befaßt und dabei immer die Kalorienlogik als Prämisse verwendet haben. Da hat er sich natürlich für alles, was bei ihm selbst nicht so lief wie erwartet, irgendeine Erklärung zusammengebastelt. Das Problem ist, daß man auch für die Kalorienlogik immer irgendeine Erklärung finden kann, die unter bestimmten Voraussetzungen möglicherweise zutreffend sein könnte. Im Zweifelsfall liegt es dann halt daran, daß man sich nicht an sein Gewichtsreduktionsprogramm gehalten hat, falls es nicht die gewünschte Wirkung zeigt.

Für den Patienten, der sich mit seiner Diät herumquält, ist das die Höchststrafe, denn aus der Nummer kommt er dann nicht mehr mit heiler Haut heraus. Denn die Kalorienlogik bedeutet zwingend, daß er es sein muß, der etwas falsch gemacht hat. Niemand ist bereit, ihm das Gegenteil zu glauben.Das ist einer der Gründe, warum ich nie, nie, nie einen Arzt um Rat gefragt hätte, als ich noch zugenommen habe, erstens weil es unter meiner Würde ist, mich wie einen Lügner hinstellen zu lassen, und zweitens, weil eine Problemlösung, wenn sie fälschlicherweise davon ausgeht, daß ich etwas falsch mache und korrigieren muß, das Problem dann natürlich auch nicht lösen kann.


Ich habe meinem Arzt jedenfalls versichert, daß ich, Alter hin oder her, sehr wohl den Normalgewichtsbereich wieder erreichen werde; er möge sich davon im Lauf der nächsten Jahre als mein Hausarzt überzeugen. Zu meinem Erstaunen stimmte er mir da zu. Bei meinem Fastenmodus könne ich im Jahr tatsächlich ca. 12 Kilogramm abnehmen, egal wieviel ich an den anderen Tagen esse (mehr als ca. 4000 Kalorien seien, behauptete er, ohnehin nicht möglich, was ich - nebenbei bemerkt - aber zu bezweifeln wage), nur müsse ich das halt auch durchhalten, was die meisten aber nicht könnten. Ich setzte ihn daraufhin davon in Kenntnis, daß ich in nunmehr zwei Jahren noch nie einen Fastentag vorzeitig abgebrochen habe und noch nicht einmal jemals ernsthaft in Versuchung gewesen bin, dies zu tun, also gar keinen Grund hätte, zu erwarten, daß die Sache ausgerechnet an meinem Durchhaltevermögen scheitern werde.

Wie ich das geplant hatte, habe ich meinem Arzt außerdem Dr. Fungs Buch geschenkt und hoffe jetzt halt, daß es von ihm nicht sofort auf die möglicherweise große Halde von "pseudowissenschaftlichen Theorien" geschmissen wird, die ihm seine Patienten zweifellos von Zeit zu Zeit aufzuschwatzen versuchen, sondern daß er es liest, und sei es nur, um es zu widerlegen, und diese Lektüre ihn dann nachdenklich macht. Der größte Schwachpunkt dieses Buches ist, daß es auf einen Mediziner kaum seriös wirken kann, weil es halt in einem noch dazu eher seichten Publikumsverlag wie RIVA erschienen ist, nicht in einem Fachverlag wie etwa Thieme, und der Titel der deutschen Übersetzung, "Die Schlankformel" wirklich nicht besonders glücklich gewählt wurde, wenn man jemanden überzeugen will, der sonst vielleicht eher die "Ernährungsmedizin" von Hans Konrad Biesalski konsultiert. (Ein Buch, das ich mir letztes Jahr ebenfalls angeschafft und durchgearbeitet habe,  um mir einen Eindruck von der "orthodoxen Lehre" zu verschaffen.)

Ganz ehrlich, ich tu mich mit so etwas immer ganz schön schwer. Ich sehe mich dann immer durch die Augen meines Gegenübers und weiß genau, was er dabei sieht: eine bekloppte Verschwörungstheoretikerin, die sich von irgendwelchen Quacksalbern Märchen einreden läßt. Diese Rolle gefällt mir nicht besonders, und schon gar nicht gegenüber jemandem, der die einschlägige Fachterminologie, dieses Mediziner-Rotwelsch, fließend und akzentfrei spricht, während ich diese Fremdsprache trotz aller Bemühungen nur radebreche.

Zum Glück nehme ich nicht zu, sondern ab, was im Umkehrschluß bedeutet, ich muß irgendetwas richtig machen, was auch immer das in seinen Augen sein mag. Das verschafft mir schon gleich eine ganz andere Verhandlungsposition. Vielleicht bringt meine weitere Entwicklung ihn auch noch ins Grübeln. Die gute Nachricht lautet immerhin: Wir haben uns über dieser Sache nicht unrettbar zerstritten. 

Meine Blutwerte, um die es bei meinem Arztbesuch eigentlich gegangen war, stellten sich als überaus erfreulich heraus: Glukose nicht nur im Normal-, sondern sogar mit 98 im zweistelligen Bereich, HBA1c-Wert von 5,4, also nicht nur im Bereich des Normalen, sondern innerhalb des Normalen (4,8 bis 6,1) sogar relativ niedrig, Triglyceride (= Fettsäuren) mit 60 noch auffallender niedrig, was aber nach einem Fastentag leicht zu erklären ist. Dem Arzt gefielen am besten meine Nierenwerte, die ich selbst bislang gar nicht so beachtet hatte. Aber anscheinend ist es in meinem Alter bereits eher untypisch, mit denen noch im Normalbereich zu liegen, und bei mir ist dies der Fall. Das nahm ich natürlich gerne auch noch mit. Der einzige erhöhte Wert ist das Cholesterin, wobei im Vergleich zur letzten Blutabnahme, als ich im Krankenhaus war, der Gesamtwert gesunken ist, das "böse" LDL sogar noch stärker, während das "gute" HDL angestiegen ist.

Der Doc sah diesen erhöhten Wert deshalb ganz entspannt, er meinte, das Fasten, sofern ich dabei bliebe, werde auch diesen Wert im Lauf der Zeit weiter sinken lassen. Er ließ außerdem durchblicken, daß er von der letzten Absenkung des Grenzwerts (von 220 auf 190 Gesamtcholesterin) nicht so recht begeistert war, er meinte, darunter fielen auch eine Menge Leute, bei denen die leicht erhöhten Werte genetisch bedingt und nicht etwa ein Krankheitsanzeichen seien. Das vernahm ich gerne, denn ich nehme an, zu diesen Leuten gehöre ich auch. Seit ich 16 bin, beschweren sich meine Ärzte schon über mein "grenzwertiges" Cholesterin, und seit ich die 40 überschritten habe, versuchen sie mir mit Verweis auf das Cholesterin dauernd (und erfolglos) diverse Lebensmittel zu verbieten.

Wenn ich vergleiche, dann ist mein aktueller Cholesterinwert tatsächlich etwas höher als noch 2011, als er das erste Mal den damaligen Grenzwert von 220 überschritten hatte. Zuvor war er jahrzehntelang immer in etwa gleich und knapp unter dem Grenzwert gewesen. 2011 war er also zum ersten Mal wirklich angestiegen, und im Vergleich dazu ist er jetzt noch einmal geringfügig höher, aber nicht viel, und gesunken ist er seit Juni außerdem auch. Ich bin gespannt, ob er vielleicht in den nächsten Jahren wirklich wieder auf meinen alten Wert zurückgeht, den mir meine Gene offenbar in die Wiege gelegt haben.

Mit dem werde ich immer noch die neuen Grenzwerte überschreiten, also kann ich froh sein, daß ich einen Hausarzt gefunden habe, der mich nicht dazu überreden wird, dagegen Medikamente einzunehmen. Von der Sache mit dem Insulin statt den Kalorien krieg ich ihn schon auch noch überzeugt. ;-)







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