Freitag, 24. Oktober 2025

Antifaschistische Gartengestaltung: Der Bambus muß (fast) ganz weg, die Kletterrosen stutzt man nur

Mein Gewicht heute früh: 72,9 Kilogramm. Davon bin ich wirklich enttäuscht, ich hatte mit um die 72 gerechnet. In vier Fastentagen habe ich aber nur 4,3 kg verloren, das ist auch in Low-Carb-Phasen deutlich unter Durchschnitt. Aber so isses halt, mein Stoffwechsel hat sich mal wieder als Scherzkeks erwiesen. 

Ich habe tatsächlich keine Ahnung, warum es diesmal so lief. Wenn jetzt das Gewicht sich netterweise dazu bequemen sollte, weniger als 4 kg wieder raufzugehen bis zum nächsten langen Fastenintervall, sei es meinem Stoffwechsel aber alles wieder verziehen - neues langes Fastenintervall, neues Glück. 

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Wenig los an der Ernährungsfront, sieht man einmal davon ab, daß Dr. David Ludwig auf Twitter in einem Thread eine neue Studie auseinandergenommen hat, in der hochverarbeitete Lebensmittel am besten beim Abnehmen funktioniert hatten.  Der Volltext war mir leider nicht zugänglich, also kann ich keinen eigenen Senf dazugeben. 

Bei Krebs gibt es dagegen eine interessante neue Studie, deren Volltext ich kurz überflogen habe: Anscheinend war die Überlebensdauer von Krebspatienten im metastasierten Stadium besser, die sich einer Immuntherapie unterzogen, wenn sie eine mRNA-Impfung gegen Corona bekommen hatten. Offenbar mobilisiert diese Impfung das Immunsystem, das Trastumab und Konsorten zwar höflich auf die Anwesenheit des Feinds hinweisen, aber keinen direkten Einfluß auf den Enthusiasmus nehmen, mit dem das Immunsystem dann wirklich tätig wird. Es muß also von selbst motiviert sein, den Feind auch wirklich zu eliminieren. Wenn es, aus welchen Gründen auch immer, nicht ausreichend motiviert ist, sind Immuntherapien auch nicht wirkungsvoll genug, um gegen Krebs zu wirken. 

Im Primärstadium läßt es sich in der Mehrzahl der Fälle - ausweislich der PCR-Quote - gut genug motivieren, um bei bestimmten Krebsarten, vor allem dem HER-positiven Brustkrebs, dem Krebs sogar ganz den Garaus zu machen. Aber auch da klappt das nicht immer, und die wichtigste Frage ist vermutlich, wie man dann das Immunsystem dazu bringt, aus den Puschen zu kommen und seinen Job ordentlich zu erledigen. Dabei ist letztlich aber jeder auf Vermutungen und Spekulationen angewiesen, und die Kakophonie einander widersprechender Ratschläge verschlimmert die Verwirrung eher noch weiter. Viele Brustkrebspatientinnen versuchen es mit dem einen oder anderen der propagierten Mittel, vom Sporttreiben über Yoga bis zu Vitamintabletten oder Zuckerverzicht. Ob es einen Beitrag dazu geleistet hat, wenn man das Traumziel der pathologischen Komplettremission wirklich erreicht hat, darüber kann man dann natürlich immer nur spekulieren. Denn dieselbe Maßnahme kann bei anderen auch nicht zu diesem Ziel geführt haben. 

Ein bißchen tappt man also immer im Dunkeln, trotzdem ist es m. E. empfehlenswert, sich ein Mittel herauszusuchen und es anzuwenden, das einem brauchbar vorkommt - jedenfalls dann, wenn es keine ernstzunehmenden Hinweise darauf gibt, daß es schädlich sein kann. Selbst etwas tun wollen, ist immer ein Zeichen, daß man noch genügend Energie hat, sich nicht einfach passiv den Experten anzuvertrauen - und das ist schon für sich genommen ein Faktor, der die Wirkung der Therapie verbessern kann. 

Daß die mRNA-Corona-Impfungen bei metastasiertem Krebs eine Lebensverlängerung bewirkt haben, ist eine besonders gute Nachricht, weil dieses Krebsstadium das am schwierigsten zu behandelnde ist. Aber nichts spricht dagegen, eine Wirkung auch für Krebserkrankungen im früheren Stadium anzunehmen. Das bedeutet, daß der Einsatz dieser Corona-Impfungen bei einer Krebsdiagnose ein routinemäßiger Therapiebestandteil werden könnte - denn schließlich spricht nichts gegen die Impfung, auch dann nicht, wenn keine Immuntherapie geplant ist, und Krebspatienten wird ja sowieso empfohlen, sich gegen Corona wie auch gegen Grippe impfen zu lassen, weil während der Chemo das Immunsystem nicht so richtig auf der Höhe ist. 

Das also könnte man aus einer unverbindlichen Empfehlung in einen routinemäßigen Therapiebaustein umwandeln, der halt dann unterbleibt, wenn jemand ausdrücklich Impfungen ablehnt. In ein paar Jahren würde sich aus den Auswertungen ergeben, ob und wenn ja bei welchen Krebsarten und in Verbindung mit welchen Therapien die Wirkung der eigentlichen Krebsbehandlung sich dadurch verbessert hat. 

Das ist also eine richtig gute Nachricht, sie bietet eine sehr einfache und kostengünstige Möglichkeit, Krebsbehandlungen wirksamer zu machen und gerade bei Primärtumoren die PCR-Rate weiter zu erhöhen und damit eine vollständige Heilung eines größeren Teils der Patienten zu ermöglichen. Das ersehnte Wundermittel, das weit fortgeschrittenen Krebs wirklich heilt, ist das freilich (noch) nicht. Weniger als die Hälfte der Patienten im Stadium 4 überlebte den Untersuchungszeitraum von 40 Monaten. Mit Immuntherapie alleine waren es aber noch deutlich weniger - es wäre also, routinemäßig eingesetzt, auch für metastasierten Krebs eine klare Verbesserung zu allem, was im Moment eingesetzt wird. 

Also wird wohl die Coronaimpfung sehr wahrscheinlich ein neues Einsatzgebiet in der Krebstherapie finden und das ist etwas, worüber sich jeder freuen kann, der den Wunsch und Willen hat, seine Krebsdiagnose möglichst lange zu überleben und idealerweise wieder ganz krebsfrei zu werden. Wenn man jetzt auch noch dahinterkäme, daß es ebenso einen Sinn hat, den Krebszellen gleichzeitig dazu auch mit therapeutischer Ketose zu Leibe zu rücken, könnte das vielleicht zusammengenommen der Gamechanger sein.  

Eigentlich sollte ich über diese Nachricht auch weniger überrascht sein, als ich es zugegebenermaßen bin. Biontech hatte ja, bevor das Unternehmen mit der Corona-Impfung groß rauskam, an Impfungen gegen Krebs geforscht und bei der Impfstoffentwicklung auch auf den Vorarbeiten im Bereich Krebs aufbauen können. 

Was mich auf Bluesky fürchterlich irritiert, ist, daß zwar die Berichte über diese Studie recht viel verlinkt werden. Aber die meisten freuen sich dem Anschein nach vor allem darüber, daß die Coronaleugner, die ja nicht müde wurden, vor den Risiken der mRNA-Impfung zu warnen, noch falscher lagen, als man gedacht hatte. Als gewesene Krebspatientin hätte ich es höflicher gefunden, hätte man sich an dem Wohlergehen von unsereins etwas interessierter gezeigt als daran, sich an seinen Lieblingsfeinden abzuarbeiten.

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Die Wellen um das EU-Verbot, vegane Ersatzprodukte "Wurst" oder "Schnitzel" zu nennen, sind ja längst abgeflaut, aber ich wollte dazu auch noch eine kurze Bemerkung machen: 

In einer Welt, in der Keto-Jünger ihre diesbezüglichen Ersatzprodukte Spätzle oder Kartoffelsalat nennen dürfen (was ich für eine Art Blasphemie halte - egal, wie gut sie schmecken), darf es selbstverständlich auch Veggie-Wurst und Veggie-Schnitzel geben. Wieso muß die EU eine Regelung über solchen Pipifax treffen? Haben die nichts Richtiges zu tun? 

Fast noch verstörender fand ich das anschließende tagelange Aufheulen der Vegetarier, Veganer und ihrer Sympathisanten, die anscheinend auch keine schlimmeren Probleme zu haben scheinen, obwohl gerade rings um sie herum die Demokratie zusammenzubrechen droht. Als ob es eine Rolle spielen würde, wie das Produkt heißt, solange es weiterhin erhältlich ist. 

Ich hab gar nichts gegen vegane Fleisch- und Wurst-Ersatzprodukte. Ich will sie bloß nicht essen. Genausowenig wie Keto-Spätzle oder -Kartoffelsalat. Low-Carb-Essen muß für mich "aus eigenem Recht" schmecken, nicht weil es dem Original einigermaßen ähnlich sieht und geschmacklich mit allerlei Tricks soweit angeglichen werden kann, daß man imstande ist, sich einzureden, es schmecke wirklich gleich - was immer ein Selbstbetrug ist. Dasselbe gilt aber natürlich auch für vegetarisches oder veganes Essen: Es muß aus eigenem Recht schmecken. Etwa der Klassiker Spinat und Spiegeleier. Oder Börek mit Spinat. Wer ein Schnitzel essen will, der ist kein echter Veganer, würde ich sagen. 

Aber wie gesagt, das ist Pipifax. Offenbar geht es uns immer noch zu gut, wenn wir uns mit solcher Ausdauer mit solchem bedeutungslosen Kleinkram befassen können. 

Wobei unser aller Bundeskanzler ja gerade dabei zu sein scheint, das zu ändern. In ein paar Jahren werden wir uns wohl wirklich mit so viel mehr richtigen Problemen als heute befassen müssen, daß dies mit dem Vortäuschen politischer Problemlösungen, wo sie gar nicht benötigt werden oder nachrangig sind, nicht mehr vertuscht werden kann. Daß dies jetzt immer noch geschieht, obwohl wir uns schon jetzt über einen Mangel an echten Problemen kaum beklagen könnten, ist Staatsversagen, und noch mehr deshalb, weil es so viele neue Probleme schafft bzw. bestehende verschlimmert, statt sie zu verbessern. 

Man kann ja eigentlich nur dankbar sein, daß die nicht schon 2022 dran gewesen sind. Da wären wir im Winter vermutlich in kalten Wohnungen gesessen. Diese verpeilte Katherina Reiche hätte das, was Habeck und seine Leute gemanagt haben, nie im Leben zuwege gebracht. Daß die von E.ON die Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft bekommen hat, kann ich mir eigentlich nicht aufgrund irgendwelcher Leistungen ihrerseits vorstellen, sondern weil sie schon seinerzeit so viele politische Verbindungen in den Konzern mitbrachte. Neulich erst ist mir übrigens aufgegangen, warum mir Frau Reiche spontan so unsympathisch erschienen ist: Sie erinnert mich an Schneewittchens Stiefmutter, die böse Königin. Einen Spiegel, der ihr unangenehme Wahrheiten zu Gehör bringt, etwa daß ihre Gaskraftwerks-Pläne voraussichtlich an der EU scheitern werden, hat sie offenbar aber nicht. 

Freilich, die Öffentlichkeit™ ist auch nicht viel besser. Seit Tagen tobt diese Stadtbild-Debatte, in der jeder sein Bein wieder und wieder an denselbem Baum hebt. Und meistens geht die - berechtigte - Kritik an Friedrich Merz am Kern des Problems vorbei. Dasselbe gilt natürlich auch für die Zustimmung, und die gibt es, behauptet das ZDF, sogar von einer Mehrheit der Bevölkerung. 

 

Merkwürdig daran ist freilich dies hier: 

 

Wie soll das denn zusammenpassen?

Es zeigt sich, daß das ZDF uns mit der ersten Grafik schlicht angelogen hat. Die Fragestellung dazu lautete:  

  

Diese Frage zu bejahen, bedeutet aber etwas ganz anderes, als Friedrich Merz' Stadtbild-Äußerung zuzustimmen. Danke an dieser Stelle an den Volksverpetzer, der die Quellen auf seiner Website verlinkte, so daß ich nicht selbst danach suchen mußte.  

Dieser Text - einer der besten, die ich bislang zum Thema sah -, zeigt, warum das fast zwangsläufig passieren muß. 

Wenn eine Erzählung falsch ist, dann lautet die sinnvolle Frage nicht: Welche Elemente sind wahr? Die sinnvolle Frage lautet dann: Welche andere Erzählung bildet die Wirklichkeit besser ab?

So schreibt das der Journalist Jonas Schaible in einem Blogbeitrag, und das fand ich einen interessanten Denkanstoß über das, was bei uns in der Kommunikation dauernd so fürchterlich schiefläuft. Der blinde Fleck bei Schaible besteht darin, daß er nicht erwähnt, wieviele unwahre Elemente auch die Erzählungen der Gegenseite enthalten und daß man deshalb erst mal definieren müßte, wie man aus welchen Gründen die Wahrheiten und Unwahrheiten gewichtet - und ob bzw. wann und welchen Unterschied es macht, wo diese Unwahrheiten Irrtümer und wo sie Lügen sind. 

Meistens sind Erzählungen nämlich genau wie das obige Umfrageergebnis des ZDF eine Mischung aus allen dreien: Wahrheit, Lüge und Irrtum. Sie sind alle so miteinander verfilzt wie Bambus, Efeu und Kletterrosen sowie wilder Wein es in meinem rückwärtigen Garten waren, nachdem der Vorbesitzer sich sieben Jahre lang nicht darum gekümmert hatte. Was wir mit diesem unentwirrbaren Gestrüpp gemacht haben, ist eine ganz passende Analogie zu dem, was unsere Regierung meiner Meinung nach auch mit der Entwicklung des Rechtspopulismus in den letzten Jahren machen sollte. 

Wir haben uns nämlich nicht damit begnügt, einfach nur alles zu stutzen. Manches mußten wir buchstäblich radikal beseitigen, will heißen: die Wurzeln ausgraben. Das galt vor allem für den Bambus, denn der bildet auch aus einem übersehenen Stück Wurzel von fünf Zentimentern im Boden doch wieder einen neuen Trieb, der dann, wenn man nicht aufpaßt, wieder anfängt, sich unterirdisch überall auszubreiten. Also habe ich den ganzen Gartenbereich umgepflügt und so viel von den Wurzeln beseitigt, wie ich finden konnte. Neue Triebe, die natürlich trotzdem da und dort wieder aus dem Boden kamen, wurden ebenfalls bis zu ihrer Wurzel ausgegraben und mit ihr zusammen beseitigt. 

Freilich, an manchen Stellen ging das nicht. Unsere Haselsträucher und den Holunder wollen wir nämlich behalten, und um den Bambus wirklich radikalstmöglich zu beseitigen, hätte ich seine Wurzeln auch unter die Wurzeln dieser Sträucher verfolgen und ausmerzen müssen, auf die Gefahr hin, dabei die Sträucher zu schädigen. Also habe ich mich an diesen Stellen für eine andere Strategie entschieden: Alles, was dort rauskommt, wird nur bis zu dem Punkt eliminiert, wo es sich zwischen den Wurzeln einer erwünschten Pflanze versteckt. Das bedeutet, ich muß das halt so lange kontrollieren, bis aus dieser Richtung keine neuen Triebe mehr nachwachsen. Möglicherweise kommen wir an diesen Punkt auch nie. Aber das macht nichts. Es ist ein vertretbarer Aufwand, sich um diese verbliebenen Bambusreste zu kümmern. 

Im Prinzip habe ich auch beim Efeu und dem wilden Wein so viel wie möglich von den Wurzeln beseitigt, aber erstens ging das erheblich einfacher und zweitens bergen steckengebliebene Wurzelteile weniger Risiken. Tatsächlich habe ich den Efeu an drei Stellen erst einmal sogar stehenlassen, an zwei abgestorbenen Bäumen - dort kommt er erst weg, wenn wir die Bäume beseitigen - und im Bereich des Gartentors. Es kann sogar sein, daß wir diesen dritten Teil ganz behalten, aber das ist noch nicht spruchreif und entscheidet sich erst, wenn wir den Gartenzaun auf dieser Seite erneuern. Den Efeu müssen wir halt mehrere Male im Jahr stutzen, sonst wuchert er uns innen wie außen innerhalb von wenigen Monaten wieder alles zu. 

Die Kletterrosen waren genauso expansiv wie der Efeu und stachen dazu noch ziemlich fies, als wir sie stutzten. Mein Mann war ab einem bestimmten Punkt so sauer darüber, daß er sie ziemlich rabiat zurückgeschnitten hat und nur Stümpfe zurückgeblieben sind. Und sieh an, sie nahmen das nicht nur nicht übel, sondern trieben im Frühjahr aus wie verrückt und wir hatten das ganze Jahr die tollsten Rosenblüten in allen Teilen des Gartens und in allen möglichen Farben. Sie stutzten wir nur dann, wenn sie es mit dem Wachsen und Wuchern übertrieben haben, was ein Teil unserer Rosen natürlich wirklich tat. Ganz ehrlich: Den optimalen Umgang mit den Rosen habe ich noch nicht gefunden. Aber jedenfalls bleiben sie. Alle. 

Die Analogie läßt sich noch weiterdenken. Denn tatsächlich habe ich im Moment genausowenig ein Bild vor Augen, wie der Garten als Ganzes einmal aussehen soll, wie die Bundesregierung eine Vorstellung von einer angestrebten Gesellschaft in Deutschland zu haben scheint. Trotzdem ist es aber möglich, auf Basis der Frage, was man keinesfalls haben will - nämlich große Teile des Gartens überwucherndes Gestrüpp -, sofort wirksame Maßnahmen zu treffen, um dies zu verhindern.  Genau so wie in unserem Garten stelle ich mir auch das erwünschte Ergebnis im Kampf gegen den Faschismus vor. Nicht alles muß sofort und mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden, und von 100-%-Zielen sollte man sich bei so einer Aufgabe schnellstmöglich wieder verabschieden, falls man diesen Gedanken anfangs verfolgt hatte. Man macht zwangsläufig Fehler und erlebt unerwartete Wirkungen und Nebenwirkungen seiner Handlungen. Unser Quittenbaum beispielsweise ist vermutlich auch deshalb umgekippt, weil ich um ihn herum den gesamten Efeu beseitigt hatte und seine Wurzeln vermutlich mit denen des Efeus vielfach verflochten waren. Als die Wurzeln abstarben, war natürlich auch die Standfestigkeit des Quittenbaums beeinträchtigt. Das bedeutet freilich nicht, daß es falsch war, den Efeu zu beseitigen. Es bedeutet, daß ich eine unerwünschte Nebenwirkung nicht vorhergesehen und präventiv darauf reagiert habe. Das wird uns bestimmt auch noch öfter passieren. So was ist normal. 

Mein Mann und ich haben außerdem, wie sich im Lauf der Zeit herauskristallisierte, zwei sehr verschiedene Vorstellungen im Garten gehabt und auch bis heute nicht so richtig in Einklang bringen können. Zeitweise haben wir deshalb möglichst getrennt voneinander im Garten gearbeitet. Absprachen trafen wir dann, wenn entweder der andere mit gebraucht wurde oder unsere Bilder im Kopf miteinander kollidierten und wir uns auf eines einigen oder eine Kompromißlösung finden mußten. Für mich war immer die Beseitigung dessen, was weg mußte, Priorität Nummer 1, und das war der rote Faden in meinen letzten zwölf Gartenmonaten. Mein Mann priorisierte einen möglichst vielfältigen sofortigen Gemüseanbau, der mich von der schieren Menge an Sorten heillos überforderte. Ich hätte eine wesentlich kleinere Auswahl in einem bestimmten Teil des Gartens sehr viel lieber gehabt, aber er kümmerte sich dann eben alleine um alles, was er säte und steckte, auch um die zugehörigen Vorarbeiten. Das führte zwar dazu, daß ich an einigen Stellen nicht tätig werden konnte, was mir nicht gefiel, aber es gab ja genügend andere Baustellen, mit denen ich mich befassen konnte. 

Unter dem Strich war es ein Gewinn, daß wir zwei verschiedene Strategien hatten. Wir haben immer noch kein Bild davon, wie unser Garten in fünf Jahren aussehen soll. Aber wir haben nun ein besseres Bild, was jetzt im Herbst, wenn das Laub runter ist, noch weg soll und was stattdessen nächstes Jahr in den Garten rein soll. 


Unser Garten im Monat vor unserem Einzug: Kein Waldweg, sondern der überwachsene Weg zwischen Terrasse und Gartenhaus - und zwar nachdem der Vorgänger dort bereits etwas gelichtet hatte. 

Auf diese Weise könnte auch eine Koalition funktionieren, die zwei sehr unterschiedliche Weltbilder miteinander in Einklang bringen muß. Gelegentlich krachte es bei uns auch, aber am Ende können wir beide dem jeweils anderen zugestehen, in dem selbstgewählten Gebiet den größeren Teil gut hingekriegt zu haben. Was daran wichtig ist: Keiner von uns beiden wäre wohl alleine zurechtgekommen. Die destruktiven Rodungsarbeiten am Unerwünschten und die konstruktiven Aufbauarbeiten beim Erwünschten waren beide im Grundsatz notwendig, und dazu müssen wir beide auch nicht in jedem Detail genau richtig vorgegangen sein. 

Aber noch einmal zurück zu den Erzählungen.  

Gehen wir davon aus, daß es von vornherein keine Erzählung geben kann, die die reine, absolute und nicht mehr hinterfragbare Wahrheit wiedergibt. Dann wäre die sinnvolle Frage nicht: Wieviel Prozent der Erzählung sind wahr? Es wäre auch nicht sinnvoll, die mit der höheren Prozentzahl dann als wahr zu übernehmen. Die wichtigste Frage lautet: Welche Ergänzungen bräuchte die Erzählung, um so nahe an der Wahrheit zu sein, wie es für eine Urteilsbildung erforderlich ist? In Wirklichkeit wäre es wohl nötig, beide konkurrierenden Erzählungen einander gegenüberzustellen und an beiden so lange die Ergänzungen hinzuzufügen, die sie der Wirklichkeit annähern, bis sie zwar nicht identisch, aber einander ähnlicher geworden sind. Dann kann man herausdestillieren, warum Person 1 die eine und Person 2 die andere Erzählung einleuchtender findet, welche Interessen oder Erfahrungen dahinterstecken und wo beide Standpunkte imstande sind, durch Kompromisse zufriedengestellt zu werden. 

Das würde beiden Standpunkten den nötigen Respekt zollen, anstatt, so wie jetzt, immer nur eine auch nur teilweise richtige, wenn auch vielleicht weniger fehlerhafte Erzählung als die angeblich einzige Wahrheit und die andere nur als Lüge darzustellen, obwohl ich jedenfalls auch in ihr wahre Elemente finde. Die falsche Erzählung enthält meiner Erfahrung nach tatsächlich fast immer einen wahren Kern. Der besteht in dem, was in der weniger falschen Erzählung unter den Tisch gefallen ist, weil er nicht zu den damit verbundenen Zielen paßte. Richtig ist, daß das meiste an den Erzählungen, die sich um diesen wahren Schnipsel herum bilden, dann aus Irrtümern und Lügen besteht, manchmal sogar richtig haarsträubenden. 

Niemand kann aber von einer Erzählung überzeugt werden, die einer tatsächlich gemachten persönlichen Erfahrung widerspricht, und wo der wahre Kern in der Lügengeschichte die persönliche Erfahrung bestätigt, hat die Gegenerzählung auch dann verloren, wenn sie flächendeckend durch alle Medien als angebliche reine Wahrheit etwas verbreitet, das implizit behauptet: Was du erlebt hast, kannst du gar nicht erlebt haben. So etwas nicht zu akzeptieren und dabei außerdem ziemlich sauer zu werden, ist nicht rechtsextrem. Es ist normal. Ich mache das ebenfalls so. Unnormal wäre es, einer Theorie mehr zu glauben als der persönlichen Erfahrung. Wo die Sache vertrackter wird, ist, wenn nach dieser berechtigten Reaktion diejenigen, die einem im Gegensatz zum Mainstream zugestimmt haben, auf einmal auch in anderen Bereichen zu der Autoriät werden, der man alles glaubt. Mir ist erst während Corona zum ersten Mal klargeworden, wie weit das gerade unter Leuten verbreitet ist, die sich dann widersinnigerweise als Selbstdenker bezeichnen. 

Was speziell Friedrich Merz vorzuwerfen ist, das ist, daß seine Erzählung zwei Dinge benennt, ein Problem - das Stadtbild - und die vermeintliche Lösung - Abschiebungen illegaler Einwanderer -, obwohl er selbst gut genug wissen müßte, daß diese Abschiebungen am Stadtbild kaum etwas verändern können, denn hier geht es überwiegend um Leute, die sich legal im Land aufhalten. In der Verknüpfung beider Teile gibt es aber keinen wahren Kern, deshalb ist es müßig, für sie nach einem zu suchen. Daß solche rhetorischen Tricks trotzdem funktionieren, liegt zum einen eben an diesem wahren Kern, der in beiden Hälften der falschen Verknüpfung enthalten ist, obwohl diese zwei Hälften in der vorliegenden Verknüpfung eine ganze Unwahrheit ohne wahren Kern bilden. 

Daß es diesen wahren Kern ohne die Verknüpfung gibt, liegt vor allem daran, daß die Erzählung der anderen Seite es mit der Wahrheit halt auch nicht so ganz genau nimmt. Im vorliegenden Fall sind es die Widersprüche zwischen selbst erfahrener und beobachteter Realität (ja, auch im Stadtbild) und kitschiger Multikulti-Rhetorik à la "Kein Mensch ist illegal", der Gleichsetzung von Flucht von politischer Verfolgung und Flucht vor der Perspektivlosigkeit im Herkunftsland und dergleichen sowie außerdem die schnelle Bereitschaft, jedes Hinterfragen der dabei unweigerlich auftauchenden Widersprüchlichkeiten sofort als Rassismus zu brandmarken. Über den letzteren Punkt habe ich schon in den Neunzigern in meinem Freundeskreis hingebungsvoll gestritten. Fürs Protokoll die Fehler in den beiden zitierten Beispielen: Die Einreise fast aller Menschen in fast alle Länder kann illegal sein, und zwar dann, wenn sie nicht nach deren Gesetzen legal ist. Natürlich ist das auch in Deutschland so. Daß ungeachtet dessen die Existenz jedes Menschen selbstverständlich nicht illegal sein kann, ist zwar richtig, ändert daran aber nichts. Und: Das Asylrecht ist nicht dafür gedacht, dem persönlichen Streben nach Glück durch Wechsel in ein anderes Land dienlich zu sein. Den Begriff "Flucht" für beides zu verwenden und dabei eine juristische Verpflichtung des Einwanderungslands zu suggerieren, ist auf genau dieselbe Weise falsch wie diese Stadtbild-Sache. Daran ändert es auch nichts, daß andere Zuwanderungsmöglichkeiten möglich und nötig sind, um auch diese Art von Zuwanderung zu ermöglichen. Diese Widersprüchlichkeiten werden auch von Leuten empfunden, denen das intellektuelle und rhetorische Rüstzeug fehlt, um zu begreifen und zu benennen, an welcher Stelle der Fehler in ihnen steckt. Und es wird sie kaum überzeugen, wenn sie dafür beschimpft werden.  

Ich bin ja im Moment recht beeindruckt davon, wieviel Energie Michel Friedman in die undankbare Aufgabe steckt, davor zu warnen, daß wir in zehn Jahren vielleicht keine Demokratie mehr sein werden, als eine Art einsamer Rufer in der Wüste. Natürlich hat er damit recht. Das Problem ist, das was wir jetzt haben, bedarf einer Generalsanierung. Genau wie unser Garten das vor einem Jahr gebraucht hat. Und wie in unserem Garten werden wir damit ein lange bestehende Dauerbaustelle haben und eine kluge Priorisierung ist erforderlich. Was aus meiner Sicht vordringlich ist, ist als erstes eine Beseitigung des ständigen "gewinnmaximierenden" Optimierens der jeweils eigenen Kommunikationsstrategie, weil das nie ohne die eine oder andere vermeintlich vertretbare Unwahrheit möglich ist. Und da das bestehende Parteienspekturm strukturell unfähig scheint, so etwas umzusetzen, wird nur eine neue Partei - oder eine politische Bewegung, die keine Partei ist, aber Regierungsaufgaben übernehmen könnte - so etwas umsetzen können. Dazu müßte sie das freilich erst mal wollen. Und niemand will eine Sache, die gar nicht in der öffentlichen Debatte ist. 

Solange niemand bereit ist, dieses Erfordernis zur Kenntnis zu nehmen, werden aber alle Rettungsversuche vergeblich sein, denn daß wir mit der derzeitigen Methode auf einen Abgrund zusteuern, ist mir schon seit fast zwanzig Jahren klar, und nie kam irgendwer auf den Gedanken, an ihr etwas zu ändern. Eine neue Regierung, die in etwa dem entspricht, was wir vor der Regierung Merz hatten - und das scheinen ja alle, von Friedman aufwärts, sich gerade als Lösung vorzustellen -, wird das Problem nicht lösen, sondern allenfalls die Fallgeschwindigkeit verringern und uns ein paar zusätzliche immer wackeligere Jahre schenken. Denn tatsächlich hat die Erosion der Glaubwürdigkeit schon lange vorher eingesetzt, spätestens zur Zeit der Bankenkrise, aber wahrscheinlich setzte auch das nur auf der Erfahrung mit der unsäglichen Agenda 2010 auf, die ein nicht zu unterschätzender Teil der Bevölkerung direkt gemacht hat oder im Nahbereich mit ansehen mußte. 

Für eine von vornherein verlorene Sache opfere ich weder Zeit noch Energie. Nicht einmal dann, wenn ich mit dazu beitragen könnte, daß die Geschwindigkeit, mit der wir auf den Abgrund zurasen, sich etwas verringert. Mit mir kann man erst dann rechnen, wenn es ernsthaft versucht wird, die Richtung zu ändern. 

 

Dienstag, 21. Oktober 2025

Kaloriendefizite und der Stoffwechsel: Herman Pontzer, haben Sie das gelesen?

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des viertägigen Fastenintervalls: 77,2 Kilogramm. Zwei Kilo weniger als zum Start der Low-Carb-Phase, das dürfte erst mal vor allem Wasser gewesen sein. Auf mein Gewicht am Freitag bin ich schon gespannt. Schaffe ich es trotz LC auf eine Abnahme von mehr als 5 Kilogramm, und wenn ja, werde ich über oder unter den 72 kg liegen? Das hatte ich seit dem Mai nicht mehr. 

Irgendwo - ich glaube, das Abnehm-Forum, wo ich nach längerer Zeit mal wieder einen Blick reingeworfen hatte - las ich vor einiger Zeit einen Austausch über die Carb-Menge, die andere für erforderlich halten, und da war die Rede von zwanzig oder dreißig Gramm. Also, die Glykogenspeicher leeren sich schon bei den von mir angestrebten hundert Gramm, das sieht man an meiner Gewichtsentwicklung. Dabei begann ich letzten Montag mit Verspätung erst am Abend mit LC, weil vom Wochenende noch ein Rest Quitten-Tiramisu übrig war, den wir nicht wegschmeißen wollten und deshalb nachmittags zum Kaffee aufgegessen haben. 

Wir haben in der letzten Woche gut und sehr abwechslungsreich gegessen: Am Montag gab es die obligatorische Big-Mac-Rolle, mit der wir eigentlich immer anfangen, weil wir die so gut finden. Dienstags habe ich gefastet und mein Mann den ebenfalls obligatorischen Rest vom Montag gegessen. Am Mittwoch gab es panierte Zucchinischeiben mit Kartoffelbrei (der zur Hälfte aus Kohlrabi bestand). Nach dem Fasten am Donnerstag machte ich dann am Freitag  gefüllte Paprika, bei denen ich die letzten Tomaten aus dem Garten für die Soße mitverwendet habe. Ich habe eine riesige Menge gemacht und zwei Portionen eingefroren. Samstags gab es einen Thunfischauflauf mit den letzten beiden frischen Zucchini aus dem Garten, und am Sonntag Putengeschnetzeltes im asiatischen Stil mit Blumenkohlreis und einer Erdnußsoße.

So kann man es schon aushalten, ein Weilchen auf Spätzle zu verzichten. ;-)

Am Wochenende habe ich außerdem ein Probebacken für eine kleinere Version der Torte gemacht, die ich meiner Mutter zum Geburtstag machen will, ein Prachtstück mit einer Feigen/Quitten-Kompott-Mischung, bedeckt von einer mit gerösteten Mandelblättern bestreuten Schicht aus Schlagsahne. Anstelle des Biskuitbodens habe ich mich für die Mandel/Mozzarella-Wunderwaffe als Boden entschieden, obwohl der eher Mürbteig vergleichbar ist. Das Experiment fiel zufriedenstellend aus, und so kann Mamas 89. Geburtstag nächste Woche also kommen. Ursprünglich wollte ich nur das eingefrorene Quitten-Fruchtfleisch nehmen, die Idee mit den Feigen kam mir, weil so viele Feigen gleichzeitig reif geworden sind und unbedingt vom Baum runter mußten. Das Probebacken war nötig, weil ich mir unsicher war, ob das Quitten-Feigen-Püree mit dem Birken-Gelierzucker wirklich fest genug für eine Torte wird oder womöglich beim Anschneiden davonläuft, aber das tat es glücklicherweise nicht. Die Kombination hat sich als wirklich gut erwiesen, falls also bis zum Wochenende wieder Feigen vom Baum runtermüssen, werde ich sie auch für die Geburtstagstorte verwenden.  

So ganz orthodox Low Carb sind Feigen natürlich nicht, aber wenn man Obst im Garten hat, finde ich es einleuchtend, in diesem Punkt fünfe gerade sein zu lassen, und das Limit von 100 Gramm Carbs pro Tag habe ich letzte Woche ja auch kaum nennenswert getoppt, das sehe ich an meiner Gewichtsentwicklung der letzten Woche, auch wenn ich diesmal darauf verzichtet habe, mitzurechnen.  

Am Geburtstag meiner Mutter unterbreche ich Low Carb für zwei Tage, und eine zweite Unterbrechung erfolgt anläßlich einer Veranstaltung, zu der ich im November angemeldet bin, bei der ich schon jetzt weiß, daß das Abendessen mir ein paar zusätzliche Kohlenhydrate verschaffen wird. 

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Über Herman Pontzers Erkenntnisse zur Wirkung von mehr Bewegung auf die Selbstregulierung des Stoffwechsels - hin zu einem neuen Gleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -verbrauch - schrieb ich an anderer Stelle bereits. Irritiert hatte mich an Pontzer aber, daß er nicht von selbst darauf gekommen ist, daß die andere Seite der klassischen Abnehm-Formel "Weniger essen, mehr bewegen" dann vielleicht ebenfalls ein Gegensteuern des Stoffwechsels auslösen könnte. Wenn ich nicht etwas verpaßt habe, ist ihm diese Erleuchtung auch bis heute nicht gekommen. 

Immerhin haben andere sich endlich einmal mit möglichen negativen Wirkungen der Kalorienreduktion befaßt. Von ihren Erkenntnissen war mir leider nur der Abstract zugänglich, aber die Auflistung läßt genau das vermuten, was ich schon seit Pontzers Buch annehme. Von den zu erwartenden Nebenwirkungen, die dort aufgezählt werden, kennen viele Abnehmer einige auch aus eigener Erfahrung. Das gilt natürlich primär für das verstärkte Hungergefühl. Darüber hinaus: 

  • Die Wundheilung verzögert sich
  • Die Körpertemperatur verringert sich
  • Verstärktes Kälteempfinden

Die weniger offensichtlichen Wirkungen:  

  • Die Knochendichte verringerte sich in Tierversuchen. 
  • Die meisten Organe verkleinern sich, einschließlich des Gehirns 
  • Die ungünstige Wirkung auf das Immunsystem wird als unklar bezeichnet - beim Sport hingegen ist dies bei Leistungssportlern allgemein bekannt, deshalb läge die Annahme recht nahe, daß ein länger andauerndes Kaloriendefizit ebenfalls eine solche Wirkung hat. 
  • Das sexuelle Interesse läßt nach, bei Tieren führt Kalorienrestriktion zu einer Verschlechterung der Reproduktionsfähigkeit. (Ein Effekt, der sich bei ihnen mit Normalisierung der Ernährung ins Gegenteil umkehrt.)

Die Autoren vermuten dasselbe, was ich aus Pontzers Erkenntnissen auch für ein Kaloriendefizit abgeleitet hätte: Der Stoffwechsel priorisiert die Verwendung der verfügbaren Energie nach Überlebenserfordernissen und verringert die Versorgung von minderwichtigen Aufgabenbereichen. Wenn man nach einem evolutionsbiologischen Sinn sucht, dann liegt der Gedanke nahe, daß dies das unmittelbare Überleben bei Nahrungsmittelknappheit sichern soll, aus einer solchen Sicht ist das von uns heute für so wichtig gehaltene Immunsystem aus dieser Sicht nachrangig. Und während einer Hungersnot keinen Nachwuchs zu erzeugen, leuchtet so gesehen ebenfalls ein. 

Liest man den Abstract, könnte man meinen, dies gelte vom Beginn einer Diät an. Sehr wahrscheinlich ergäbe sich aber aus dem Volltext, daß die Autoren hier ein länger andauerndes Kaloriendefizit gemeint haben, aber diese Annahme von mir unter dem Vorbehalt, daß ich den Volltext nicht kenne. 

Die Indizien, daß der Stoffwechsel sich an ein Defizit zwischen Energiezufuhr und -bedarf ungeachtet der Art, wie das Defizit entsteht, anpaßt, indem er minderwichtige Funktionen mit weniger Energie versorgt, mehren sich jedenfalls.  

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Ich bin gerade ein bißchen dünnhäutig, was die einfältige Selbstgefälligkeit der "Follow the Science"-Fraktion betrifft. Es gibt da einen Cartoon, den solche Leute mögen: 

 

Allerdings verwenden sie lieber die Version für die ganz Begriffsstutzigen: 

 Comic.
Eine riesige Menschenmenge.
Sie ist überschrieben mit Scientists.
Davor ein einzelner Typ.
Er sagt zur Menschenmenge gewandt
"Yes, you all are wrong"
Untertitelt ist der Typ mit
A Man who saw a YouTube Video

Also, ich bin zwar kein Mann, sondern eine Frau, und ich habe auch nicht ein YouTube-Video gesehen, sondern die Sache mit den Kalorien im Selbstversuch über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren in der Praxis erprobt. Aber freilich, wenn ich es müßte, würde ich auch vor eine solchen Zahl von Wissenschaftlern, die behaupten, daß man abnimmt, indem man ein Kaloriendefizit erzeugt, die abgebildete Antwort geben müssen. Ich respektiere Wissenschaftler nicht, die sich an Grundannahmen klammern, die in der Praxis in mehr als 90 Prozent der Fälle dasselbe Scheitern verusachen, ohne sich dazu bemüßigt fühlen, sich mal zu fragen, ob man die Sache nicht irgendwie falsch angeht, wenn man gerne eine Adipositas-Epidemie zum Stillstand bringen möchte.  

Welche Fehlsteuerungen im System dazu führen können, daß Wissenschaftler ständig die falschen Fragen zu beantworten versuchen, habe ich einmal bei Bluesky in abstrakterer Form ohne das obige Beispiel zusammenzufassen versucht und den Eindruck gewonnen, das wird unter jüngeren Wissenschaftlern durchaus für eine realistische Sorge um die Qualität wissenschaftlicher Ergebnisse gehalten. 

Was Leute, die solche Karikaturen posten, außerdem in ihrer Selbstgefälligkeit nie auf dem Schirm haben, ist, was für eine gruselige Vorstellung die dargestellte Situation ist, einem solchen Mob gegenüberzustehen und ihm in einer vermeintlichen Selbstverständlichkeit zu widersprechen. Es gibt bestimmt nicht viele Leute, denen es Spaß machen würde, sich in ihr wiederzufinden. Es ist aber natürlich viel einfacher, sich in seiner Phantasie als Teil des Mobs zu sehen. Wobei mir das sogar noch weniger gefallen würde. Terry Pratchetts Äußerung, daß der IQ einer Gruppe von Menschen dem des Dümmsten unter ihnen entspreche, geteilt durch die Anzahl der Personen, entspricht auch meinem Eindruck. Von solchen Menschenmassen halte ich mich aus Sorge um mein Denkvermögen also lieber fern. 

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Ich wurde neulich gebeten, mich an einer Petition zu beteiligen, in der es darum geht, die sogenannte "Aktivrente" auch auf Selbständige auszuweiten. Bis jetzt habe ich mich dazu nicht durchringen können. Diese Aktivrente finde ich schon als solche eine Kateridee, und mir krümmt sich die Tastatur, wenn ich nun, nur damit ich ggf. selbst davon auch Gebrauch machen und neben meiner Rente Geld verdienen könnte, diesen Blödsinn noch prinzipiell bejahen soll. Jetzt ringe ich mit mir, ob ich es tun sollte, weil ja doch eine Menge kleine Selbständige so lange weiterarbeiten müßten wie sie es gesundheitlich noch können, wenn sie diese Teilzeit-Rente nicht bekommen können. 

Ich bezweifele für mich selbst aber, daß ich, wenn ich meine Rente mal durch habe, noch viel Zeit haben werde, um Geld zu verdienen. Himmel, ich habe einen Garten und, wie es aussieht, demnächst ein Ehrenamt und viele interessante Sachen, für die mir im Moment noch die Zeit fehlt. Ich sollte sie wirklich machen, bevor ich gesundheitlich eingeschränkt bin. Und auch wenn ich den Ehrgeiz habe, so alt zu werden wie meine Mutter - die mittlerweile, derweil sie sich ab nächsten Dienstag der 90 annähert, entschieden hat, sie wolle doch gerne hundert Jahre alt werden - weiß ich ja doch nicht, wie lange ich physisch in der Lage bin, alles zu machen, was ich machen will. Wenn ich das noch richtig im Kopf habe, hat meine Mutter kurz nach der 80 aufgehört, Fahrrad zu fahren, weil sie das mit dem Gleichgewicht halten nicht mehr richtig hingekriegt hat. 

Also, falls ich das unterschreibe, dann definitiv nicht im eigenen kleinen Eigeninteresse.  

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Mein Port ist ja raus, und eigentlich hätte ich heute meinen Hausarzt anrufen wollen, um einen Termin für das Ziehen der Fäden auszumachen. Jetzt ist mir gestern nach dem Duschen aber passiert, daß ich auf einmal das eine Ende mit dem Knoten in der Hand hatte, der sich irgendwie gelöst hatte. Und als ich dann danach tastete, ob und wo noch Fäden vorhanden sind, bekam ich das "loser Faden"-Sydrom, das einen manchmal ganze Pullover aufribbeln läßt ... also, ich fand einen Nylonfaden (ohne Knoten) und zog vorsichtig daran, er wurde immer länger und länger und auf einmal war er ganz raus. Jetzt kann ich keine weiteren Fadenreste mehr ertasten oder im Spiegel sehen. Eigentlich kann ich mir dann wohl den Arztbesuch sparen, denn was sollte er jetzt noch groß machen? Falls doch noch ein Fadenrest irgendwo unter der Haut sein sollte, kann er ja auch nichts machen. 

Mein Mann hat sich darüber die Haare gerauft. Einen Tag, bevor das passierte, hatte ich nämlich laut darüber nachgedacht, ob ich die Fäden vielleicht selbst ziehen sollte, und er hatte mir eindringlich davon abgeraten. Ich hatte das auch gar nicht so ernst gemeint, das war nur der Frust über die verlorene Zeit durch den Arztbesuch - so was kostet mich ja jedes Mal einen halben Arbeitstag. 

 






Donnerstag, 16. Oktober 2025

Dörfliche Tauschwirtschaft

Mein Gewicht am Montag zum Start der diesjährigen Herbst-Low-Carb-Phase: 79,2 Kilogramm - nachdem ich am Sonntag die Waage am liebsten aus dem Fenster geworfen hätte, weil sie wahrhaftig 80,5 anzeigte! Da ich am Freitag den Port rausbekommen hatte, bestand möglicherweise ein Zusammenhang damit, daß ich die Nachwirkungen der OP erheblich deutlicher spürte als damals nach dem Einsetzen. Heute, zu Beginn des zweiten von zwei nicht zusammenhängenden Fastentagen diese Woche, wog ich 76,6 Kilogramm. Fast vier Kilo weniger als am Sonntagmorgen, also habe ich der Waage verziehen, denn sie hatte das offenbar nicht so gemeint, wie es angezeigt wurde. Erfahrungsgemäß werden die Ausschläge auf der Waage ab jetzt allerdings erheblich geringer, wie immer, wenn ich auf LC bin. Morgen früh werde ich mit etwas Glück unter 75 Kilo sein - darauf spekuliere ich auch deshalb, weil ich morgen früh mal wieder die Haare schneiden muß, weil sie mir vorne anfangen, in die Augen zu hängen, und überall nicht mehr so toll aussehen. Klingt ein bißchen albern, aber meiner Erfahrung nach machen frisch geschnittene Haare wirklich etwa hundert Gramm hin oder her aus. 

Anfang Dezember, nach einer Woche Kohlehydratorgien, also wieder mit normalem Wasserhaushalt, möchte ich gerne bei um die 76 Kilo liegen und dies möglichst auch bis Mitte Januar halten, wenn es in die zweite Low-Carb-Runde geht.  

Der Port ist jetzt also raus, alles lief wie am Schnürchen ... und das OP-Team wurde von mir selbstverständlich mit einem großen Glas von meinem Quittengelee beglückt. Ich mochte die OP-Leute in dieser Klinik nämlich vom ersten Mal an, man merkt, daß das Arbeitsklima dort so gut ist, daß dies für ihre Lust, dort zu arbeiten, alle daneben bestehenden strukturellen Streßfaktoren aufwiegt. Also hoffe ich, daß sie sich über mein Quittengelee freuen und es ihnen die Frühstückspause ein bißchen zusätzlich versüßen kann. Auf daß sie weiterhin mit soviel Schwung und guter Laune ihre OP-Patienten versorgen und dadurch, das finde ich ganz ehrlich, die Welt ein bißchen besser machen. :-) 

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Meanwhile, in den USA, hat der dortige Gesundheitsminister Kennedy jr., der nebenbei auch eine Menge Blech über Impfungen und Autismus und solchem Kram von sich gibt, immerhin eine sinnvolle Sache angestoßen, nämlich eine Debatte über hochverarbeitete Lebensmittel. In den USA ist ihr Anteil an der Ernährung noch ein gutes Stück höher als bei uns, und ich las einen Artikel, in dem die Mutter eines Kleinkinds sich mit diesem Thema befaßte und dabei behauptete, es sei vom Aufwand wie den Kosten her nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, stattdessen ihr Kind Mahlzeiten aus unverarbeiteten zuzubereiten. 

*seufz* 

Manchmal frage ich mich, wie es mir nur möglich gewesen ist, damals, als mein Kind klein war, so gut wie jeden Abend "richtig" zu kochen. Ich bin kein Fanatiker, der Fertigprodukte aus Prinzipienreiterei überhaupt nicht essen würde, aber die Regel waren und sind sie bei mir nicht, und zwar deshalb, weil mir nur ein Bruchteil der Angebote dieser Art schmeckt. 

Was die Kosten betrifft, habe ich verstanden, daß es in den USA anscheinend wirklich teurer ist, frisch zu kochen. Ich nehme an, das hat damit zu tun, daß nur ein winziger Bruchteil der dortigen Landwirtschaft für Direktverbrauch produziert, sondern die landwirtschaftliche Erzeugung sich vor allem am Bedarf der Lebensmittelkonzerne orientiert. Großerzeugung verringert die Preise, Nischenmärkte sind immer teurer. Bei uns geht die Tendenz ja auch in diese Richtung, Hierzulande war es aber, das schrieb ich ja schon mehr als einmal, lange umgekehrt: Kochen habe ich erst so richtig gelernt, als mir aufging, wie viel teurer es ist, eine dreiköpfige Familie mit Fertigprodukten zu ernähren. Ob das jetzt immer noch zutrifft, wage ich nicht einzuschätzen - dazu kenne ich mich mit den Preisen für Fertigprodukten einfach nicht mehr gut genug aus. Ich weiß nicht mal, was man heutzutage für eine Tiefkühlpizza bezahlt. 

Die Schwankungen bei den Lebensmittelpreisen haben in den letzten Jahren - schon seit Corona, aber vor allem seit Putin den Krieg gegen die Ukraine angezettelt hat - den manchmal unerklärlichen Ausschlägen auf meiner Waage echte Konkurrenz gemacht. Aber es geht preislich nicht immer nur nach oben. Die zeitweise extrem hohen Preise für Speiseöl und Mehl etwa haben sich längst wieder auf einem Level, das ein bißchen höher als vor der Teuerung ist, normalisiert. Am Samstag hörte ich einen Radiospot, in dem Netto einen Zehnkilosack Kartoffeln für 2,99 anbot. Und das, obwohl noch vor zwei, drei Monaten die Gazetten voll waren mit Warnungen davor, daß unsere Kartoffeln durch irgendeinen neuen Schädling bedroht seien. Was auch immer da dran sein mag, die diesjährige Kartoffelernte ist offenbar ungeachtet dessen ziemlich üppig ausgefallen. Auch im Hofladen sind Kartoffeln nämlich etwas billiger als voriges Jahr, allerdings ist der Preisabstand zu solchen Superdupersonderangeboten im Discounter natürlich erheblich höher geworden. Freilich, wenn ich höre, wie problematisch diese ägyptischen Kartoffeln sind, die den Discountern offenbar die höchsten Gewinnspannen bescheren, zahle ich den Mehrpreis gerne. Wer Cents umdrehen muß, der ist aber in meinen Augen jederzeit entschuldigt, wenn er lieber den günstigen Preis von 30 Cent pro Kilo Kartoffeln bei Netto wählt. Dafür muß er sich ja auch mit einem Zehn-Kilo-Sack abschleppen. 

Die Basics fürs Essen sind also im Discounter mittlerweile tatsächlich zu einem großen Teil für weniger Geld als letztes Jahr zu bekommen, das ist für Leute mit wenig Geld eine echte Erleichterung ... sofern sie selbst kochen und vor allem backen. Wer selbst Brot oder Brötchen backt, der spart dann echt eine Menge gegenüber dem Kauf beim Bäcker, denn dort sind die Preise natürlich nicht mehr gesunken. Teuer sind freilich immer noch Milchprodukte und Butter.

Das finde ich auch ganz interessant: Die Hofladenpreise verändern sich immer weniger stark als die der Discounter. In billigeren Zeiten sind sie also sehr viel teurer als die Discounterpreise, in teureren schrumpft der Preisabstand. Bei Milchprodukten, die im Discounter weiterhin sauteuer sind, macht das die Hofläden auch preislich längst konkurrenzfähig, zumal im Vergleich mit dem teureren Markenprodukt, das trotzdem genauso Massenware ist, auch wenn "Dr. Oetker" draufsteht. Wenn ich bei Lidl für einen 200-Gramm-Becher Eigenmarken-Creme fraiche (mit dem bei mir unerwünschten Zusatzstoff Carragene) 1,09 Euro zahle (Kilopreis somit: 5,30 Euro) und im Hofladen für einen 250-Gramm-Becher ohne Carragene 1,60 Euro (Kilopreis: 6,40 Euro) - bei gleicher Haltbarkeit -, dann würde ich auch bei Geldknappheit dieses Produkt nicht im Discounter kaufen. 

Auch die Apfelernte muß gut gewesen sein, denn im Hofladen kostet das Kilo dieses Jahr einen Euro weniger als im letzten (die Discounterpreise weiß ich allerdings nicht). 

Eine Zehnerpackung Freilandeier Größe L hat sich im Hofladen vor ein paar Monaten um 20 Cent von 4 Euro auf 4.20 Euro verteuert. Aber das sind mir diese Eier wert. Zumal ich bei Spaziergängen aus dem Ort heraus bei den Hühnern vorbeikomme, die diese Eier gelegt haben. Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich Interesse daran hätte, angeschlagene Eier dieser Hühner zu bekommen, die zwar frisch sind, aber wegen der Beschädigung nicht in den Verkauf gehen können. Für diese Eier gibt es zwar schon jetzt einige Abnehmer, aber wenn es zu viele auf einmal sind, wird ein Teil offenbar auch einfach weggeschmissen. Das zu verhindern, ist für mich ein genausogroßer Anreiz wie das Angebot, sie kostenlos zu bekommen. Jetzt lasse ich mich mal überraschen, ob irgendwann bei uns vor der Haustür wirklich die angekündigte Ladung unverkäufliche Eier steht und wieviele das dann sein werden. Gerade in der Low-Carb-Phase verwende ich viele Eier, das wäre mir also sehr willkommen.

Unter Umständen fällt - und das würde mich ehrlich freuen - gelegentlich auch eine Rinderzunge für mich ab. Aus irgendwelchen Gründen ist der Markt für diesen Teil des Rinds wohl zu klein für die Zahl der beim Schlachten anfallenden Zungen, was mich auch deshalb erstaunt, weil ich Rinderzunge so leidenschaftlich gerne esse. Falls ich künftig wirklich mit Rinderzungen zugeschüttet werden sollte, komme ich wohl nicht mehr umhin, mir eine Gefriertruhe zuzulegen. Schon jetzt ist mein Gefrierschrank nämlich rappelvoll, und alleine für die Überschüsse aus dem Garten hat er dieses Jahr nur mit Mühe ausgereicht. 

Auch Äpfel habe ich diese Woche umsonst pflücken dürfen. Neulich entdeckte ich nämlich außerhalb des Orts einen Apfelbaum, der mich zum Entsetzen meines Mannes zu einem kleinen Mundraub verleitete, weil der Baum nicht den Eindruck machte, als würde er noch abgeerntet. Aber klar, eigentlich tut man so was trotzdem nicht, jedenfalls nicht ungefragt. Der Apfel stellte sich dann als geschmacklich so hervorragend heraus - er erinnerte mich an die tollen Äpfel von dem einen meiner eigenen Apfelbäume -, daß ich mich erkundigt habe, wem dieser Baum gehört, weil ich gerne - diesmal gegen Bezahlung - noch ein paar dieser Äpfel haben wollte. Daraufhin bekam ich das Angebot, mir einfach kostenlos ein paar zu holen. Dafür gibt es zum Dank von mir wohl wenigstens ein Döschen mit selbstgemachtem Quittenbrot für den Eigentümer ... denn erstaunlicherweise kannte dieses Rezept in der Nachbarschaft kaum jemand, als ich neulich mit meiner Errungenschaft in einer kleineren Runde ein bißchen renommieren wollte. 

Quittenbrot ist für mich nämlich wirklich eine Entdeckung. Die Konsistenz ist ungefähr die von Geleefrüchten, wie man sie auch im Supermarkt im Süßwarenregal findet, nur schmeckt es viel, viel besser. Eine Frau war prompt so begeistert, daß sie mir meine Produktion abkaufen wollte - ihr habe ich dann die kleinere Menge geschenkt, die übrig war, nachdem meine Blechdose die Runde um den Tisch gemacht hatte. Sie will sich nochmal melden, weil ich ihr stattdessen angeboten habe, von meinem passierten Quittenfruchtfleisch, das ich eingefroren habe, ein oder zwei Beutel zu bekommen. Sie hat das Problem, daß sie aus Altersgründen mit der Verarbeitung der Quitten nicht mehr zurechtkommt. Das kann ich verstehen, denn Quitten sind ganz schön hart und die 60 Kilo, die ich verarbeiten mußte, alleine nur kleinzukriegen, war echt harte Arbeit. Da ich kiloweise passiertes Fruchtfleisch eingefroren habe, kann ich selbstverständlich ein oder zwei Beutel davon entbehren, und natürlich verschenke ich sie dann einfach. 

Der kostenlose Segen aus dem eigenen Garten vermehrt sich aber interessanterweise gerade dann manchmal doch auf besonders erfreuliche Weise, wenn man ihn teilt. Für die eine Flasche Quittensaft, die ich verschenkt hatte, bekam ich als Gegengeschenk einen großen Beutel Walnüsse vom eigenen Baum der Schenkenden, und das ist schön, weil ich keinen Walnußbaum habe und es auch nicht riskieren würde, einen zu pflanzen, denn Walnußbäume stehen in dem Ruf, Wurzeln mit viel krimineller Energie zu haben, die schlimmstenfalls auch die Fundamente von Wohnhäusern beschädigen können. 

Mir gefallen diese informellen Tauschgeschäfte sehr, bei denen niemand den Wert der Geschenke und Gegengeschenke gegeneinander aufrechnet, sondern einfach der Überfluß des einen ohne viel Theater bei einem anderen landen kann, der oft wiederum einen Überfluß an etwas anderem hat, von dem er auch gerne etwas abgibt, weil niemand sich mit dem Gedanken abfinden mag, daß die Sachen verderben, weil sie einem zu viel sind. Auf diese Weise relativieren sich auch die hohen Lebensmittelpreise jedenfalls dann, wenn man auf dem Dorf wohnt. Im Prinzip wußte ich das schon, als ich noch in der Stadt wohnte, aber wie befriedigend sich das anfühlt, habe ich vor einem Jahr noch nicht geahnt. 

Alleine dafür, daß hier solche Dinge wie Geben und Nehmen noch so simpel sind, hat sich unser Umzug aufs Dorf gelohnt. In Städten funktioniert so etwas nur, wenn es institutionalisiert wirde, etwa durch die Einrichtung der Tafeln oder anderer karitativer Einrichtungen. Informellere Wege werden nicht ermutigt, im Gegenteil. Foodsharing scheint dermaßen reguliert zu sein, daß ich mich an so etwas nur beteiligen würde, wenn ich eine gute Haftpflichtversicherung habe. Und wenn man eine "Zu verschenken"-Kiste vors Haus stellt, können drastische Bußgelder verhängt werden. Es ist also kein Wunder, daß Armut in Städten nochmal etwas anderes bedeutet als in einem Dorf. Die Sache mit dem gesunden Essen ist in einem Dorf auch für Menschen mit wenig Geld um einiges einfacher hinzukriegen, weil es da auch einfach von Einzelperson zu Einzelperson gehen kann. Und natürlich hilft es noch mehr, wenn man außerdem ein kleines eigenes Gärtchen hat. 

*** 

Ein vielleicht schockierendes Geständnis: Es gab mal eine Zeit, da dachte ich ernsthaft darüber nach, die AfD zu wählen. Zu meiner Verteidigung kann ich allenfalls vorbringen, daß das noch vor der Flüchtlingskrise von 2015 gewesen ist. Damals trat die AfD vor allem mit EU-Kritik auf, und an ihr hatte und habe ich viel zu kritisieren, auch wenn ich sie andererseits für unverzichtbar halte. Das Problem ist, daß die bestehenden Strukturen an denselben Grundfehlern kranken, die auch die Bundesregierung aufweist, nur betreffen die Folgen dann alle EU-Länder auf einmal und potenzieren die Folgen, wenn es schlecht durchdachte oder auch durch die Unzahl an Lobbyvertretern in Brüssel beeinflußte EU-Regelungen gibt. Daneben bekommen die Bürger von neuen Vorhaben und deren Wirkungen viel weniger mit als von Gesetzgebungsverfahren auf nationaler Ebene - es sei denn, sie haben erkennbares Aufregerpotential. Das heißt, Regelungen, die ungute Wirkungen haben, bekommt man oft erst mit, wenn sie längst umgesetzt sind. Dazu fällt mir immer als erstes die Sache mit den Schlachthöfen ein. EU-Regelungen haben dazu geführt, daß viele kleinere Schlachthöfe die Meßlatte zu hoch war und sie aufgeben mußten. Als Folge wurden die großen Schlachthöfe immer größer, und im Endeffekt hatte das auch die Wirkung, daß auch die "Fleischfabriken" der Großerzeuger davon begünstigt wurden, weil es für kleinere Landwirte teilweise zu umständlich wurde. Mittlerweile ist man bei der EU offenbar ein bißchen zurückgerudert, aber die zerstörten Strukturen bildeten sich deshalb natürlich nicht spontan sofort wieder neu.

Seit die AfD Ausländerfeindlichkeit zu ihrem Markenkern gemacht hat, kommt sie für mich sowieso nicht mehr in Frage, und auch ihre Lösungsvorstellungen zur EU halte ich nicht für die richtigen, aber das Problem, das mich damals mit ihr liebäugeln ließ, finde ich nach wie vor relevant.

Immer mehr komme ich zu dem Schluß, daß mit dem kompletten aktuellen Parteienspektrum kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist und daß diese Parteien außerdem strukturell unreformierbar sind, weil ihre internen Aufstiegsvoraussetzungen unweigerlich immer die charakterlich Ungeeignetsten, die Ehrgeizigen und Skrupellosen, an die Spitze bringen. Denen wird dann das Gemeinwohl anvertraut. Das kann im Grunde nur schiefgehen. Man braucht sich ja nur die SPD und ihren Umgang der letzten zwanzig Jahre mit ihrer vorherigen Stammwählerschaft anzuschauen, sich an das Kasperletheater in der Ampel zu erinnern, mit dem die FDP ihre eigene Wichtigkeit beweisen wollte (mit dem Ergebnis, daß sie aus dem Bundestag flog), und sich anhören, was für Themen die CDU im Moment für vordringlich hält. Es ist ein Trauerspiel.

Was wir bräuchten, wäre entweder eine ganz neue Partei oder, und das wäre wahrscheinlich noch sehr viel besser: eine überparteiliche Bürgerbewegung als eine Art "Anti-Parteien-Partei". Parteilose liegen nämlich anscheinend ausgerechnet im Osten mittlerweile mehr im Trend als die AfD, jedenfalls wenn es um Bürgermeisterwahlen geht. Interessant daran finde ich, daß die AfD offenbar als mittlerweile im Osten gewohnt gewordener Bestandteil des Politikbetriebs also unattraktiver geworden ist und man ihr zwar häufiger als den anderen Parteien, aber seltener als Parteilosen zutraut, die realen Probleme vor Ort lösen zu können. Auf Bundesebene ist das vermutlich ein wenig komplizierter, aber da die Leute vor lauter Verzweiflung ja immer wieder auch auch reine Quatschparteien wählen (etwa die Fünfsternepartei in Italien, auch die Erfolge der Satirepartei "Die PARTEI" bei den Europawahlen gehören dazu), wäre ein ernst gemeinter Versuch mit ernstzunehmenden Kandidaten wohl nicht von vornherein chancenlos.  

Auf Bluesky las ich den Vorschlag "Die Starken" als Name für eine neue Partei, zu der einige interessante (und daneben auch ein paar ziemlich abwegige) Gedanken geäußert wurden. Aber wer könnte eine Partei mit diesem Namen für seriös halten? Tauglich wäre so etwas allenfalls, um im Kreis der Wahlberechtigten, die auch unseriöse Parteien zu wählen bereit sind, die AfD zu kannibalisieren. Regiert werden möchte ich von einer Partei mit einem so verdächtigen Namen ausdrücklich nicht. Stärke muß man zwischen den Zeilen vermitteln, nicht pausenlos herumschreien "Schaut her, wie stark ich bin", denn das weckt im Gegenteil eher den Verdacht, das Gegenteil des Behaupteten könnte zutreffen. 

Aber immerhin hat mich das dazu inspiriert, über einen Namen für meine eigene politische Kopfgeburt nachzusinnen. Wer als neue Partei konstruktive Politik machen will, sollte sich einen Namen geben, der das widerspiegelt. Der Name sollte keiner der aktuell bestehenden politischen Parteien zu sehr ähneln. Und wenn es keine Partei im klassischen Sinne ist, müßte sich das im Namen ebenfalls widerspiegeln - und, daran liegt mir auch sehr, es sollte sich daraus um Gottes willen kein neckisches Akronym ergeben. Die Aufgaben, um die es geht, sind weder niedlich noch lächerlich, und dies sollte sich auch in einer seriösen Bezeichnung ohne Quatschfaktor ausdrücken. Angelehnt an Frau Merkels wunderbaren Satz "Wir schaffen das" (der als Name freilich nicht in Frage käme, weil er ein zu umfassendes Versprechen gibt) fände ich den Namen "Wir packen das an" mit dem Untertitel "parteiübergreifendes Bürgerbündnis" besonders gut. 

Denn ich bin außerdem der Meinung, dieses Bündnis sollte Mitgliedern aller Parteien offenstehen, sofern sie sich mit bestimmten Zielen und bei deren Verfolgung einzuhaltenden Grundwerten einig wissen. In diesem Fall wäre so eine Liste bei der nächsten Bundestagswahl im Idealfall ein Sammelbecken für alle, die mit einem Schuß Idealismus konstruktiv politisch arbeiten möchten, aber in ihrer Partei damit ständig gegen die Wand laufen. Wichtig wäre es außerdem, den Grundfehler zu vermeiden, den die Piratenpartei gemacht hat. Sie hat es nämlich versäumt, ein paar Grundlinien festzulegen, zu denen ihr Parteiprogramm passen muß. Als Folge wurden dann, als der Berliner Wahlerfolg ihr eine Flut von Parteieintritten von Glücksrittern und Wirrköpfen aller Couleur verschafft hatte, das Parteiprogramm durch die sich sofort bildenden Abstimmungsseilschaften derjenigen dominiert, die mit solchen Übungen schon Erfahrung hatten. 

Was mir außerdem gefallen würde, wäre die Entwicklung einer Computersimulation der Wirkungen und Nebenwirkungen zentraler Maßnahmen. Also zum Beispiel: Wie verändert die Einführung der von der aktuellen Regierung geplanten Mütterrente voraussichtlich die Zahl der Rentnerinnen, die Grundsicherung in Anspruch nehmen müssen, und bei welchen Kosten für den Steuerzahler? Die Datenbasis für solche Simulationen sollte ja für viele Fragen vorhanden sein, und auch, wenn nie alle Nebenwirkungen vorausgesehen werden können, würde es vielleicht den Blickwinkel der Wähler auf so manche politische Forderung verändern. 

Eigentlich ist es komisch, daß noch nie jemand auf diese Idee gekommen zu sein scheint. Für gut gemachte Strategiespiele opfern viele Computerspielfans viel Freizeit, und viele von ihnen sind ja komplex genug, um erwarten zu können, daß auch so ein "Wir basteln eine Regierungspolitik"-Simulationsprogramm auch tatsächlich genutzt werden müßte. 

Dienstag, 7. Oktober 2025

Priorisierung im Krisenmodus: Die Demokratie kann ich nicht retten. Den Quittenbaum aber schon.

Mein Gewicht heute früh am zweiten von diesmal drei aufeinanderfolgenden Fastentagen: 76,5 Kilogramm - nachdem ich mich gestern über 79,5 entsetzt hatte. Drei Kilo minus in einem Fastentag, das habe ich echt nicht allzu häufig. Schon seit zwei Wochen habe ich aber ungeachtet dessen den vagen Eindruck, daß ich schon mitten in diesem blöden Herbst-Phänomen drinstecke. Gut also, daß der Countdown für die nächste Low-Carb-Phase läuft. Am Montag nächste Woche ist es soweit, und natürlich starten wir, wie das inzwischen Tradition ist, mit einer Big-Mac-Rolle - das erste von vielen Rezepten, die ich absichtlich nur in Low-Carb-Phasen mache. 

Für den Teig der Big-Mac-Rolle werde ich vermutlich die letzten zwei eigenen Zucchini raspeln, falls das Wetter nicht plötzlich doch wieder spätsommerlich wird und ich den Pflanzen noch ein bißchen zusätzliche Zeit lassen kann. Die Zucchini sind einer unserer echten Gartenerfolge. Seit Mitte Juni haben wir immer frische Zucchini gehabt, und auch mit den Mengen sind wir gut klargekommen. Neben den Klassikern panierte Zucchini und gefüllte Zucchini waren meine wichtigsten Rezept-Highlights der Zucchini-Nudelsalat und das Zucchini-Pesto. Etwa fünf Zucchini habe ich in geraspelter Form und zwei in Scheiben eingefroren, und verschenkt haben wir, wenn ich das so überschlage, im Lauf des Sommers etwa zehn Stück. 

Auch die Quittenernte ist erledigt und die Verarbeitung des Segens fast abgeschlossen. Etwa 60 Kilo Quitten habe ich zu Saft verarbeitet, das ergab ungefähr 15 Liter Quittensaft und etliche Kilo passiertes Fruchtfleisch. Einen Teil des Safts habe ich bereits zu Gelee verarbeitet, einen Liter habe ich an eine Freundin verschenkt, deren Quittenbaum sie dieses Jahr früchtetechnisch im Stich gelassen hat, zwei Liter stelle ich in unseren Gewölbekeller - angeblich hält er sich bis zu drei Jahre - und ungefähr vier Liter warten noch auf weitere Verarbeitung, aber dafür brauche ich weitere Gläser und mehr Gelierzucker. Das Fruchtfleisch habe ich teils eingefroren, teils experimentiere ich noch damit herum, weil mein Gefrierschrank inzwischen knallvoll ist. Zum Beispiel mache ich gerade Quittenbrot, aus dem ich unter anderem auch schokoüberzogene Ausstecherle machen will. Bestreut mit Krokant oder gehackten Mandeln macht sich das bestimmt gut beim Weihnachtsgebäck. Joghurt-Gums mit Quittenfruchtfleisch schmecken ebenfalls gut. 


 

Nächstes Jahr legen wir uns eine Gefriertruhe zu, anders wird man der Überschüsse wohl nicht Herr. Damit es auch nächstes Jahr Quittenüberschüsse geben wird, dafür brauchen wir aber Glück und gerne ein paar dafür gedrückte Daumen. Unser ehrwürdiger Quittenbaum hat es mit uns nämlich gar zu gut gemeint, denn er brach unter der Last der Früchte vor zehn Tagen zusammen und kippte um. Wir haben ihn - nachdem wir ihn abgeerntet und beherzt einiger Äste beraubt hatten - mit Hilfe zweier Wagenheber sowie einer Seilwinde plus zwei helfenden Nachbarn wieder aufgerichtet und hoffen, daß er überlebt. Sicher wissen wir das aber erst nächstes Frühjahr, falls er dann wieder neue Blätter bekommt. Aber auch wenn das passiert, kann es natürlich sein, daß er seine Kraft für die bessere Verwurzelung benötigt und auf Blüten ganz oder weitgehend verzichtet. Ich habe ihn bereits umarmt und ihm zugeflüstert, daß das gar nichts macht, weil er uns dieses Jahr ja überreichlich beschenkt hat. 

Die 94jährige Nachbarin sagte uns, der Baum müsse mindestens hundert Jahre alt sein, sie kann sich nämlich an keine Zeit erinnern, zu der dieser Baum nicht dagewesen wäre. Sie meinte, wir sollten uns einen neuen zulegen und diesen hier zu Kleinholz machen. Wir sind aber grimmig entschlossen, ihn doch wieder aufzupäppeln, und ziehen dafür alle Register, vom fleißigen Wässern über das Kalken des Stammes bis hin zu Dünger im nächsten Frühjahr. Falls das alles nichts helfen sollte, dann wäre es halt so. Aber aufgeben werden wir den Baum nicht, solange er eine Chance hat. Und da das Drama jetzt schon zehn Tage her ist und seine Blätter imm noch grün sind, sind wir mittlerweile ganz optimistisch.

Der alte Dampfentsafter, den ich im Sommer bei einem Flohmarkt erworben habe, hat sich bei den Quitten richtig gut bewährt, und ich schätze, den werde ich nächsten Sommer auch für den Holunder verwenden können. Und mal sehen, wofür ich ihn sonst noch einsetzen kann. 

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Außerhalb meines persönlichen Umfelds finde ich die Lage nach wie vor eher trostlos. Zu denken gab mir in diesem Zusammenhang eine Äußerung von Michel Friedman. Sie ging kürzlich durch die Medien und setzte mich doch ein wenig in Erstaunen.  

Der Publizist Michel Friedman warnt davor, dass Deutschland in zehn Jahren womöglich keine Demokratie mehr sein könnte. „Ich bin erstaunt, wie viele Menschen ihr Leben normal weiterleben und nicht begreifen, dass es um zwei existenzielle Säulen ihres Lebens geht: Frieden statt Krieg – und Freiheit statt Diktatur“, sagte Friedman dem Verlag Nürnberger Presse. 

Mich erstaunt an dieser Äußerung, daß Friedman erstaunt ist, daß es den Anschein hat, die Menschen lebten einfach normal weiter. Ich bin der Meinung, Friedman irrt sich, wenn er glaubt, sie lebten normal weiter. Ich jedenfalls lebe nicht normal weiter, sondern befinde mich schon seit Jahren in einer Art Überlebensmodus, und ich glaube auch, daß eine wachsende Zahl von Menschen ebenfalls längst auf den zunehmenden Eindruck, daß die Welt und das Land immer mehr aus den Fugen geraten, durch ihre persönliche Art eines Krisenmodus reagiert. Das drückt sich auch darin aus, daß die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen in den letzten Jahren durch die Decke geschossen ist. Interessant an der verlinkten Grafik finde ich, daß der Anstieg mit der Finanzkrise 2009 eingesetzt zu haben scheint, ein Zeitpunkt, ab dem weltweit die Wähler in den meisten Demokratien der Welt angefangen haben, ein immer irrationaleres Wahlverhalten an den Tag zu legen und dabei neben allen möglichen neuen oder Außenseiterparteien auffallend häufig auch rechtspopulistische Parteien zu begünstigen.

Weiß Gott, lange genug habe ich ja tatsächlich nach dem Hebel gesucht, mit dem ich - im bescheidenen Rahmen einer Einzelperson - sinnvollerweise irgendwelchen Einfluß auf die politischen Debatten und die sich daraus ergebenden Gesetzgebungen und Regelungen haben könnte, obwohl niemand das, was mich an meiner Beobachtung beunruhigte, damals auch nur zur Kenntnis genommen hat. Am nächsten dran war ich wohl 2011, als ich ernsthaft erwog, Mitglied der Piratenpartei zu werden und mich dann natürlich dort auch aktiv einzubringen, um ihre Ansätze einer modernen Variante sozialliberaler Überzeugungen von innen zu unterstützen. Dummerweise kam es dazu nicht, weil die Partei sich nach ihrem Überraschungserfolg in Berlin anschließend in Rekordzeit selbst zerlegte. Bei allen guten Absichten: Die Piratenpartei hatte ein unzutreffendes, weil idealisiertes Menschenbild. Deshalb wurde ihr Ideal der Basisdemokratie ihr zum Verhängnis, denn das nutzten Interessengruppen und Abstimmungsseilschaften schamlos aus - wie sie das übrigens immer tun, wenn man sie nicht aktiv und bewußt daran hindert, die Geschichte ist voll von entsprechenden Beispielen. Die politische Chance, die ich in der Piratenpartei gesehen habe, gab es also ziemlich schnell nicht mehr, und das hatte die Partei leider selbst mitbewirkt. 

Im Moment sehe ich leider keinen Punkt mehr, an dem ich persönlich irgendeinen Hebel bei der von Herrn Friedman durchaus richtig analysierten Problematik sinnvollerweise ansetzen könnte. Tut mir leid, Herr Friedman. Ich möchte ja eigentlich auch lieber weiterhin Frieden und Demokratie anstelle von Krieg und  Diktatur. Was ich aber machen kann und teils bereits umgesetzt habe und zu anderen Teilen demnächst in Angriff nehmen werde, ist, meinem eigenen Leben die nötige Resilienz zu verschaffen, mit dem Ziel, dadurch bessere Chancen zu haben, ungemütliche Zeiten mit heiler Haut zu überstehen. Und zwar mit folgenden Mitteln: 

Erstens: Abhängigkeiten verringern - unter anderem etwa durch unseren Plan mit Photovoltaik plus Batteriespeicher - mit dem Ziel einer Art "Notfall-Teilautarkie" für etwaige längere Ausfälle. Zweitens: Komplexität reduzieren, um das Funktionieren dessen, was wirklich gebraucht wird, nicht unnötig zu erschweren. Drittens: Suffizienzorientiert konsumieren und dabei darauf achten, daß möglicht viel Lebensnotwendiges einfach und vorzugsweise ohne Discounter zu beschaffen ist. Viertens: Weg vom linearen (Fortschritts- bzw. Rückschritts-) Denken, hin zum Denken in Kreisläufen, etwa durch saisonale Ernährung. Fünftens: Beziehungen im Nahbereich knüpfen und pflegen, und zwar nicht bezogen auf Nützlichkeitserwägungen, sondern darauf, ob sie mir und meinem jeweiligen Gegenüber angenehm sind und Anregungen bieten - die Nützlichkeit für beide Seiten ergibt sich daraus automatisch, sollte aber nicht der Sinn sein. 

Und sechstens: Loslassen der Faktoren, auf die ich sowieso keinen Einfluß nehmen kann. Neben dem Wetter betrifft das auch sämtliche Weltrettungs-Thematiken und darin eingeschlossen auch die Frage Michel Friedmans. Ob ich vielleicht auch Bluesky loslassen sollte, darüber denke ich gerade nach.  Es fängt in letzter Zeit nämlich an, auf ähnliche Weise nervtötend wie Twitter zu werden. Ich weiß beispielsweise nicht, was den Algorithmus dazu motiviert, mir dauernd irgendwelche Fantasy- oder Manga-Artworks in die Timeline zu spülen, obwohl ich beides hasse und vom ersten Tag an solche Accounts immer stummgeschaltet habe. Ich habe jetzt alle milderen Mittel durchprobiert, Stummschaltung und "Weniger anzeigen", und seit ein paar Tagen blockiere ich solche Accounts nun doch wieder, wie ich es bei Twitter getan habe, wenn ich dort dauernd mit Content belästigt wurde, der mich nicht die Bohne interessiert, in der Hoffnung, daß der Algorithmus irgendwann merkt, daß ich solches Zeug nicht dauernd sehen will, und mich damit endlich verschont. Dasselbe gilt für Bondage- und Latex-Fotos oder Baseball und sonstige US-Sport-Inhalte. Im Prinzip gälte es auch für Kätzchen- und Hundchen-Fotos, aber da habe ich irgendwie eine ausgeprägtere Beißhemmung. Freilich, falls die gezeichneten spitzohrigen Elfenund glubschäugigen Manga-Tussis zu sehr durch niedliche Kätzchen ersetzt werden, wird mir wohl auch dabei nichts anderes übrigbleiben. 

Neuerdings ärgere ich mich aber auch über meinem Empfinden nach toxischer werdende Kommunikation bei Bluesky. Eine Sache, die ich zum Beispiel hochgradig toxisch finde, ist diese Mode, Kritik an einer anderen Generation mit direkter Ansprache an eine Person mit einem Vornamen verbunden wird, der - manchmal irrtümlich - mit dieser Generation in Verbindung gebracht wird. 

Beispiel

 

Die verwendeten Namen können wechseln, hier noch ein weibliches Beispiel

 

Den Anfang machten bei dieser Vornamens-Unsitte wie immer die Amis, bei denen der Name "Karen" schon seit Jahren sinnbildlich für die von Jüngeren empfundenen Fehlleistungen der Babyboomer-Generation steht. Eine deutsche Variante, die sogar noch älter ist, bezog sich auf Vornamen von Kindern, mit denen bestimmte Milieus karikiert wuerden sollten, etwa überkandidelte Doppel-Vornamen wie etwa Torben-Pascal für aufstiegsorientierte Mittelschichtler mit Hang zu Höherem, sowie Kevin oder Chantal als sprichwörtliche Kindernamen des sogenannten "Prekariats", gerne auch mit dem Wohnort Berlin-Marzahn verknüpft. Das war insofern anders, als es nicht die Namensträger selbst angriff, sondern deren Eltern und Herkunftsmilieus. Schon das fand ich aber persönlich verletzend für die namentlich Angesprochenen. 

Mein Blueksy-Detox-Programm sieht nun so aus, daß ich künftig erst mal noch mehr Leute blockieren werde. Bevor mir die Glubschis, Elfen und Drachen immer mehr auf den Wecker gingen, tat ich das vor allem bei aggressiven Antirauchern und bei Genozid-Schreiern, wenn es um Gaza geht. Was das Rauchen betrifft, geht es mir nicht so sehr um die Meinung, sondern um die Art, wie sie vertreten wird. Als Raucher lege ich gerade in Zeiten, in denen man geradezu dazu ermutigt wird, sich Rauchern gegenüber im Ton zu vergreifen, allergrößten Wert darauf, speziell in meiner Eigenschaft als Raucher so einen Umgangston nicht zu dulden. Bei der Gaza-Sache geht es mir vor allem um die Begrifflichkeit, die ich nicht akzeptieren kann, denn diejenigen, die jetzt von Genozid schreien, sind zu 90 Prozent diejenigen, die schon "Genozid" geschrien haben, als die Leichen der genau heute vor zwei Jahren durch Palästinenser aus dem Gazastreifen abgeschlachteten Israelis noch nicht kalt waren. Die restlichen 10 Prozent haben es aber auch nicht besser verdient, weil sie nur Nachplapperer sein können, auf deren Urteil nicht viel zu geben ist. Solche Beiträge zu lesen lohnt sich eh nicht. 

Leute wie Guido Kühn und Ella Morelle, die es aus welchen Gründen auch immer für eine normale Form der Kommunikation halten, meine oder auch irgendeine andere Generation mit irgendwelchen vermeintlich für die jeweilige Altersgruppe typischen Vornamen - wie in den beiden verlinkten Beispielen Dieter oder Brigitte - zu bezeichnen, um Abfälligkeiten gegen uns damit aufzupeppen, werde ich ab sofort auch blockieren, weil ich sie für einen Teil des Problems halte. Und für die Lösung dieses Teilproblems betrachte ich mich ebenfalls nicht als zuständig.