Donnerstag, 6. März 2025

Schiefgelegte Weltbilder und interessante Zeiten

Mein Gewicht heute früh nach zwei Fastentagen am Montag und Dienstag sowie einem Eßtag gestern und zum Start von zwei weiteren Fastentagen: 75,7 Kilogramm. Eigentlich sollte ich damit am Samstag unter 73 Kilo aufschlagen.

Die vier Fastentage diese Woche hatte ich eigentlich nicht geplant, aber weil ich gestern eine Verabredung mit gefühltem "Kuchenzwang" hatte, wollte ich den gestrigen dritten Fastentag verschieben und fand, eigentlich könnte ich dann auch gleich zur Abwechslung mal wieder zweimal zwei Fastentage machen. Für einmal sollte das gehen, aber dauerhaft würde sich das früheren Erfahrungen nach eher nicht empfehlen. Wie auch immer, mein Stoffwechsel wird überrascht sein, und genau das spricht für diesmal dafür, es so und nicht anders zu machen. Ich war nämlich am Montag zum Beginn des Fastens wieder bei 77,3 Kilogramm, und mein Ziel ist ja zum Beginn des Aprils weniger als 77 Kilo. 

Aber immerhin, 77,3 entsprechen 3,2 Kilogramm minus im Vergleich zum Start der Low-Carb-Phase am 13. Januar nach wiederaufgefüllten Glykogenspeichern mit entsprechend höherem Wasserstand. Für gerade mal sechs Wochen Low Carb ist das als Nettoabnahme weiß Gott gar nicht so übel. Es sind allerdings trotzdem ärgerliche 3,8 Kilogramm, die ich immer noch von meinem Zielgewicht entfernt bin. Mal sehen, vielleicht disponiere ich ja übernächste Woche - anstelle der geplanten zwei Fastentage - ja doch noch auf vier Fastentage um, nur dann eben mal wieder am Stück. Immerhin war es ja doch der März, der jahrelang immer mein bester Abnahmemonat gewesen ist. Falls ich zum 31.3. weniger als 76 Kilo wiegen sollte, mache ich mit den restlichen 2,4 oder weniger Kilos dann gleich im April mit einem knackigen Endspurt kurzen Prozeß. 😡

Die gestrige Verabredung war aber unterhaltsam und ziemlich interessant, also war es jedenfalls gerechtfertigt, mit dem Fasten umzudisponieren. Die Frau, mit der ich mich traf, hatte ich bei einem Büchertauschregal kennengelernt und wir waren uns gleich sympathisch gewesen. Es hat mehrere Anläufe gebraucht, damit es mit einer Verabredung klappte, und nebenbei habe ich nun auch ein nettes Café gefunden, in das es mich bestimmt noch öfter verschlagen wird, ob mit meiner neuen Bekanntschaft, anderen Leuten oder mit meinem Mann - das Bier ist dort nämlich auch gut.

Mit der Frau bin ich in vieler Hinsicht auf einer Wellenlänge, allerdings hat sie weltbildtechnisch eine ziemliche Schlagseite als Nachwirkung der Coronazeit entwickelt, die sie wohl nachhaltig erschüttert hat. Daß sie ihre Auswahl an Nachrichten aus den Quellen bezieht, die von den einschlägigen Social-Media-Accounts vorgefiltert wurden, ergab sich, als ich eine Behauptung, die sie gestern gemacht hatte, heute recherchierte: Der US-Bundesstaat South Dakota sei katastrophenfrei ohne jegliche Corona-Maßnahmen ausgekommen. Davon hatte ich selbst noch nie etwas gehört, und da ich ja ziemlich tief in die Corona-Meldungen eingestiegen bin, war ich darüber einigermaßen erstaunt. Also wollte ich wissen, was da nun eigentlich Sache ist.

Mir fehlten die Zeit und die Lust, mich wie bei mir wichtigen Themen selbst in die Quellen einzuarbeiten, deshalb stattdessen hier diese quick and dirty recherchierte zusammenfassende Analyse. Kürzestfassung:  Es gab in South Dakota sehr wohl Corona-Maßnahmen, etwa Schulschließungen, und zwar keine bundesstaatweite Maskenpflicht, aber sehr wohl wurden Maskenpflichten auf lokaler Ebene eingeführt. Tatsächlich war South Dakota näher betrachtet auch schwerwiegender betroffen als das benachbarte North Dakota - diesen Vergleich hatte meine Bekannte gestern auch unterschlagen. Die Hospitalisierungsrate lag 2020 und 2021 die meiste Zeit erheblich über der von North Dakota, und die Sterberaten überstiegen die des Nachbarstaats ebenfalls nahezu kontinuierlich - aber erst, nachdem North Dakota eine Maskenpflicht einführte.

Mein Bekannte hatte ihre Infos, an deren Richtigkeit sie ganz ehrlich glaubt, also einfach aus dem, was sie für zuverlässige Nachrichtenquellen hielt, erfahren. Sie erwähnte auch, daß sie bis heute täglich stundenlang online aktuelle Themen nachliest. Man braucht wenig Phantasie, um zu erkennen, daß das ebenfalls bis heute alles sogenannte "Alternativmedien" sind. Das kam am Rande zutage, als wir im Gespräch die aktuelle Weltlage streiften und sie - ohne deshalb Trump weniger abstoßend zu finden - eine ausgeprägte Abneigung gegen den ukrainischen Präsidenten Selenski zum Ausdruck brachte. Das ist eigentlich außerhalb von AfD-Kreisen nirgends eine besonders häufige Ansicht. Als ich - ebenfalls nebenbei - einwarf, daß ja, egal, was man von dem Präsidenten des Landes hält, es ja auch nicht akzeptabler macht, dieses Land einfach zu überfallen, wußte sie dagegen nichts einzuwenden. Wir haben die Sache dann nicht weiter vertieft, obwohl es mich schon interessiert hätte, was sie gegen Selenski hat und welche Schlußfolgerunggen sie daraus so zieht. Aber das Risiko, mit ihr in einen sinnlosen Streit zu geraten, war mir doch zu hoch.
 

Im Alltag habe ich sonst mit "solchen" Leuten nicht viel zu tun. Mal sehen, ob wir den Kontakt weiter aufrechterhalten - ich werde das jetzt nicht aktiv vorantreiben, weil ich zum einen so wenig Zeit habe, um Bekanntschaften dieser Art aktiv zu pflegen, und zum anderen ist es natürlich auch ein bißchen anstrengend, ständig im Gespräch auf Verschwörungstheorien gefaßt sein und darauf irgendwie reagieren zu müssen -, aber ich bin offen dafür, falls sie selbst aktiv wird. Es war ja unter dem Strich wirklich ein netter Nachmittag und sie wirkt auf mich auch nicht wie jemand, bei dem Hopfen und Malz ganz verloren ist.

Der Casus knackus waren in ihrem Fall erkennbar die Coronamaßnahmen, und über die unterhielten wir uns auch recht lange. Sie wirkte ziemlich überrascht, als ich ihr zwar in der Kritik an einigen Teilmaßnahmen zustimmte (anderen Kritikpunkten widersprach ich), aber sagte, angesichts der Überrumpelung unserer Regierungsriege, die außerdem nicht gerade mit Genies besetzt war, seien Fehleinschätzungen und daraus abgeleitete falsche oder übertriebene Maßnahmen von vornherein zu erwarten gewesen und meines Erachtens auch verzeihlich, solange man annehmen dürfe, daß der beste Wille bestanden habe, in einer unübersichtlichen Situation das Richtige zu tun. Daß ein Fehler in diesem Bereich etwas anderes als unverzeihlich sein könne, war für sie offensichtlich ein völlig neuer Gedanke.

***

Dieser Denkfehler ist allerdings einer, den nicht nur die Opfer von rechtspopulistischer Propaganda machen. Man sollte es deshalb gelegentlich erwähnen, daß der große Vorzug einer Demokratie mit Gewaltenteilung nach dem Rechtsstaatprinzip nicht darin besteht, daß nur Heilige und Genies, vorzugsweise in Personalunion, in verantwortliche politische Positionen kommen. Der große Vorzug eines solchen Systems besteht darin, daß es auch mittelmäßige oder noch mäßigere Charaktere in hohen Ämtern nicht gleich zum Kollabieren bringen und etwaige Fehler im Anschluß repariert werden können. Aber auch kluge Leute in hohen Ämtern, etwa Helmut Schmidt, waren trotzdem fehlbar und haben Fehler gemacht. Manchmal sogar richtig dumme Fehler. Dieser Unfehlbarkeitsanspruch an jeden, der ein politisches Amt hat, ist einer, der den Leuten eingeredet wird, und zwar - natürlich - von den gegnerischen Parteien, aber vor allem von den Medien. Wenn das aber der Anspruch sein soll, müßten wir uns von einer KI-Lösung regieren lassen, was per se eine unmenschliche Regierung bedeuten würde, weil dann der menschliche Faktor fehlen würde, der nicht nur fehlbar macht, sondern auch Ermessensspielräume nach empfundener Angemessenheit in die eine oder die andere Richtung ausschöpft oder kreative Wege aus einem Dilemma zu suchen bereit ist. 

Solange das System stabil bleibt, sind fehlbare Politiker auszuhalten und jeder sollte wissen, daß ihre Fehlbarkeit als solche noch lange nicht gegen sie spricht. Das heißt aber natürlich nicht, daß ihre Fehler nicht angesprochen und, sofern angemessen, auch angeprangert werden sollten. Aber im Falle von Corona war eine so ungewöhnliche neue Situation entstanden, daß man ein paar mehr Fehler als sonst verzeihen können sollte. 

Das kommt freilich nicht nur schiefdenkerischen Populisten unvorstellbar vor, sondern auch wohlmeinenden Verteidigern der Coronamaßnahmen, die damit, daß sie Fehler nicht als Fehler anerkennen, ebenfalls Teil des Problems sind.

Das Grundproblem des Einflusses von populistischen Meinungsmachern, den ich gestern quasi am lebenden Objekt studieren konnte, besteht darin, daß nicht nur alle Parteien, sondern im Prinzip generell alle gesellschaftlichen Kräfte mehr oder weniger populistisch argumentieren. Die Botschaften derjenigen mit medialer Reichweite bekommen, wenn möglich, noch weitere Zuspitzung durch den Sensationalismus verpaßt, der auch die sogenannten Qualitätsmedien in den letzten Jahrzehnten zunehmend beherrscht. Was mir an Robert Habeck so gefiel, obwohl mir das Gebäudeenergiegesetz, das auf sein Konto geht, überhaupt nicht gefallen hat, ist, daß er eine der seltenen Ausnahmen war, die das unter ihrer eigenen wie auch der Würde der von ihm Angesprochenen finden. Genau dieses Kommunikationsverhalten, das ihm wenige so richtig gedankt haben, müßte sich eigentlich überall wieder einbürgern, um überhaupt noch eine Chance gegen die populistischen Halbwahrheiten der anderen Seite zu haben.

Denn tatsächlich verbreiten alle Seiten, die politisch wirksam zu sein versuchen, überwiegend Viertel- und Halb- bis Dreiviertelwahrheiten, aber andererseits genauso selten vollständige Lügen wie vollständige Wahrheiten. Gemeint sind hier auch ausdrücklich keine Irrtümer - irren ist menschlich. Mein Problem besteht darin, daß ich mir häufig sicher bin (und manchmal sogar einen Beweis dafür finde), daß nicht das gesagt wird, was in alten Gerichtsfilmen mit der Formel "Die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit" zusammengefaßt wird. 

Daß das überall salonfähig geworden ist und für normal gehalten wird, bietet die Möglichkeit, sich, wenn einem als Medienkonsument die Botschaft gefällt, an die wahren Teile zu halten und die unwahren zu ignorieren, oder, falls sie einem nicht gefällt, es genau andersherum zu machen. Genau das machen die Leute dann natürlich auch. Am Ende hängt also alles nur noch von den Sympathien für eine Person oder eine von ihr vertretene Sichtweise ab, aber nicht mehr davon, ob die Fakten korrekt, vollständig und zusammenpassend beschrieben wurden, die daraus gezogenen Schlußfolgerungen haltbar und die zugehörigen Lösungsvorschläge erfolgversprechend sind. Genau das hat die aktuell zu diagnostizierende allgemeine gesellschaftliche Glaubwürdigkeitskrise erzeugt, die dazu führt, daß es ein wachsender Teil der Bevölkerung keinen Unterschied mehr zwischen den - leicht erkennbaren - Dreiviertellügen der Populisten und den Halbwahrheiten der anderen wahrnimmt und sich für die Botschaft entscheidet, die ihre Stimmung und ihre selbst vermuteten Interessen besser trifft.

Das ging mir auch deshalb durch den Kopf, weil sich kürzlich alle Welt so sehr über eine sogenannte "Kleine Anfrage" der CDU entrüstete, bei der es um NGOs, also Nichtregierungsorganisationen ging. Die betreiben im Rahmen ihrer Möglichkeiten Lobbyarbeit, genauso, wie das auch Unternehmen tun. Und dabei bedienen sie sich längst auch allesamt professioneller PR mit der zwangsläufigen Folge, daß man es mit der Wahrheit nicht mehr ganz so genau nimmt. Das Unangenehme daran ist, daß diejenigen, die dafür verantwortlich sind, sich wahrscheinlich noch nicht einmal einer Schuld bewußt sind. Es machen ja alle, und vermutlich wird es in den einschlägigen Studiengängen längst auch so als völlig normal gelehrt. Nur, das ist es eben, was dazu führt, daß nahezu jeder schon mal die Erfahrung gemacht hat, daß diese Leute in Bereichen, in denen sie sich auskennen, etwas behauptet haben, was einfach nicht wahr ist. Passiert einem so was öfter, womöglich mit denselben Urhebern, dann braucht sich aber niemand mehr darüber zu wundern, wenn es für so jemanden dann ziemlich glaubwürdig aussieht, wenn jemand anders daherkommt und dieselben Urheber an anderer Stelle auch bei Lügen ertappt haben will.

Die CDU jedenfalls wollte wissen, welche solchen Organisationen staatliche Förderungen bekommen, und nannte dabei einige Organisationen namentlich, nämlich: Omas gegen rechts, Correctiv, Campact, attac, der Amadeu Antonio Stiftung, Peta, Animal Rights Watch, Foodwatch, Dezernat Zukunft, die Deutsche Umwelthilfe, die Agora Agra GmbH, Greenpeace, BUND, Netzwerk Recherche, Neue Deutsche Medienmacher und Delta. An dieser Liste merke ich, daß ich schon seit anderthalb Jahren keine Zeitung mehr lese, denn ein paar davon kannte ich noch gar nicht, etwa Agora Agra oder Delta. Ich glaube aber nicht, daß ich diese Bildungslücke unbedingt schließen muß. ;-)

Die Empörung über die Anfrage jedenfalls erklärt sich sehr plausibel daraus, daß die CDU diese Frage in eigener Sache stellte, weil diese Organisationen sie im Wahlkampf kritisiert und teils auch härter - etwa durch Demos - angegangen waren, weil sich die CDU für ihren Geschmack zu sehr am rechten Rand anzubiedern versuchte. Das wirkt natürlich schon arg larmoyant, vor allem dann, wenn man sowieso die Wahl bereits gewonnen hat. Aber daß Friedrich Merz kein besonders sympathischer Mensch ist, hat man im Grunde ja vorher schon gewußt, also finde ich es nicht weniger larmoyant, sich jetzt über den Umstand so zu entsetzen, daß er nach seinem Sieg - wie soll ich's ausdrücken? Sagen wir: nicht gerade durch staatsmännische Größe glänzt. Bei einer Wahl zwischen Pest und Cholera hielten ihn aber von vornherein mehr seiner Wähler einfach für das kleinere Übel als den Olaf Scholz, und dieses Übel haben wir jetzt halt mit allen Konsequenzen bekommen.

Interessant fand ich es aber auch, daß ausgerechnet zu Correctiv dann in meiner Timeline ein Tweet aufpoppte, das genau das wiedergibt, was ich weiter oben angesprochen hatte, nämlich eine persönliche Erfahrung, die eines der vermeintlich unschuldigen Opfer des schlechten Gewinners CDU in einem weniger positiven Licht erscheinen läßt. Das kam mir spontan auch plausibel genug vor, und ich mache mir jetzt mal nicht die Mühe einer tiefergehenden Recherche mit dem Ziel, mir ein fundiertes Urteil zu bilden, sondern nehme einfach mal an, daß Frau Schumacher-Wulf die Sache korrekt wiedergibt. 

 

Correctiv ist nämlich auch meiner eigenen Erfahrung nach ein reichlich dubioser Laden. Ich war, als sie noch ganz neu waren, bei denen zwei Jahre lang zahlendes Mitglied, und zwar deshalb, weil Correctiv vorspiegelte, ein vielversprechendes neues journalistisches Modell entwickeln zu wollen. Das gefiel mir, weil ich dachte, die mit der schönen neuen Onlinewelt erkennbar überforderte Medienlandschaft brauche dringend neue Ideen, und so etwas zu unterstützten, ob nun rein finanziell oder auch durch aktive Beteiligung, sei auch in meinem eigenen Interesse, da ich mich durch die Medien immer schlechter informiert fühlte. Ich wäre dabei tatsächlich gerne auch über die rein finanzielle Beteiligung hinausgegangen. Nur, dazu gab es dann gar keine Gelegenheiten. 

Nach etwa zwei Jahren Mitgliedschaft, das war 2017, schrieb ich, ziemlich ernüchtert, eine Mail an den Geschäftsführer:


...
Als ich Mitglied wurde, gefiel mir die Vorstellung, selbst aktiv werden zu können, auch wenn mir klar war, dass das nur in beschränktem Umfang möglich sein würde - schließlich habe ich schon einen Beruf, der mich inhaltlich fordert und zeitlich auslastet. Vage hatte ich dabei die Vorstellung eines Online-Diskussionsforums im Kopf [...] Der Anblick der internen Austauschmöglichkeiten bei CORRECTIV, die ungefähr so verlockend sind wie ein zugiges Buswartehäuschen und entsprechend spärlich genutzt werden, hat mich dann natürlich ziemlich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht.

Tatsächlich fand ein Austausch unter Mitgliedern jedenfalls im angeblich dafür vorgesehenen Bereich praktisch nicht statt. Es wurden gelegentlich Offline-Veranstaltungen angeboten, allerdings am anderen Ende der Republik. Keine Ahnung, ob sie wenigstens auch ein Ort des internen Austauschs und der Entwicklung von Projekten gewesen wären, aber ich vermute, eher nicht. Denn "... wer wann an welchem Thema arbeitet, scheint Berufsgeheimnis des jeweiligen Mitglieds zu sein, von dem man erfährt, wenn die Arbeit abgeschlossen und der zugehörige Text publiziert ist", wie ich in meiner Mail feststellte. Eine solche Publikation weckte meine Aufmerksamkeit, weil sie ein Thema betraf, bei dem ich mich ein bißchen auskannte, und weil ich darin in sich widersprüchliche sowie anderen Quellen widersprechende Behauptungen fand, aber auch auf Quellen Bezug genommen wurde, auf die bis dahin noch niemand Zugriff gehabt zu haben schien. Das fand ich spannend, und so schrieb ich die Autoren von Correctiv an, teilte meine Beobachtungen mit und bot an, mich in ihre Recherche mit einzuklinken. Ich war damals noch naiv genug, wenigstens damit zu rechnen, daß die Autoren dankbar dafür sein würden, einen Fehler in ihrem Artikel beseitigen zu können. 

Der Artikel ist online immer noch zugänglich einschließlich der Fehler und Widersprüchlichkeiten. Ich bekam nie eine Antwort. 

"Was genau habe ich eigentlich davon, wenn ich weiter Mitglied bleibe?", wollte ich nun wissen. "Oder ist irgendetwas an der Sache gesellschaftlich so wichtig, dass es auf meinen eigenen Vorteil gar nicht ankommt? Soweit ich das überblicke, geht es nur um solide Reportagen, wie man sie in gleicher Qualität auch bei Spiegel und Stern lesen kann, und auch die Themen sind ein solider Querschnitt [...] Jetzt kam mir aber [...] der Gedanke, Sie einfach mal zu fragen: Warum würden Sie an meiner Stelle Mitglied bleiben wollen? Habe ich einen Grund, damit zu rechnen, dass das irgendwann doch wieder spannend für mich wird, und wenn ja, worin besteht dieser Grund?"

Der Chef von det janze wußte offenbar auch nicht, warum ich Mitglied bleiben wollen sollte, jedenfalls aber hielt er mich keiner Antwort für würdig. Ich kündigte also meine Mitgliedschaft. Eine nichtssagende bedauernde Textbaustein-Nachricht, unter der David Schravens Name stand, bekam ich dann natürlich trotzdem noch. 

Damit war es eigentlich offensichtlich: Ich war mit meiner Unterstützung von Correctiv auf einen Schwindel hereingefallen. Die Mitgliedschaft sollte Correctiv nichts weiter als die Gehälter der dort tätigen jornalistischen Profis in einer Art Anschubfinanzierung sichern, während man sich auf dem journalistischen Markt etablierte, wie das dann ja auch gut gelungen ist. Daß der Rahmen eine gGmbH war, die nicht gewinnorientiert arbeitet, steht dem auch nicht entgegen. Die von Anfang an nicht sonderlich bescheidenen Gehälter des Führungsteams kann man übrigens hier nachlesen. 

Die innovative Idee daran war es also, sich in Krisenzeiten als Journalist ein besseres Arbeitsmodell als die Tätigkeit für die großen Medienhäuser zu sichern. Entgegen allen Behauptungen hatte offenbar nie die Absicht bestanden, die Möglichkeiten der Onlinekommunikation für neue journalistische Wege auszuloten und nutzbar zu machen und dabei, wie man Mitglieder geködert hatte, auch Nichtjournalisten mit einzubeziehen. Die Insider wollten vielmehr von Anfang an unter sich bleiben und weiter genau das machen, was sie gelernt hatten, nur dabei nicht mehr von den Strukturen innerhalb der großen Medienhäuser abhängig sein, was die verfolgten Themen und ihre regelmäßige Bezahlung betrifft. Von Leuten wir mir wollten sie nichts weiter als unser Geld. 

Daran war im Prinzip eigentlich in Zeiten des Crowdfundings ja noch nichts auszusetzen, wäre das nur offen kommuniziert worden. Da stattdessen die Leute mit Lügen geködert wurden, warum sollte ich dann glauben, daß man dort bei der journalistischen Recherche seriöser vorgeht? Tatsächlich fiel mir Correctiv seitdem auch vor allem dadurch auf, daß man dort nicht weniger reißerisch als die BLÖD-Zeitung ist, nur eben mit einer linken bis linksliberalen Zielgruppe, an deren Interessen man auch seine Recherchen inhaltlich ausrichtet. Das aufbereitete Ergebnis muß dann vor allem diesem Zielpublikum gefallen. Etwas anderes als Viertellügen und Halbwahrheiten ist aus dieser Quelle also auch nicht zu erwarten. Denn sachlich zutreffende Informationen enthalten immer ein Spektrum unterschiedlicher Grautöne, nicht etwa Schwarz und Weiß. Und bei Correctiv gibt es eigentlich immer vor allem viel Schwarz und Weiß.

In diesem Zusammenhang fand ich es also interessant, was Frau Schumacher-Wulf mit Correctiv erlebt hat, und daß ihrem Patientenmagazin für Brustkrebspatientinnen kurzerhand unterstellt wurde, es sei pharmafinanziert, womit man sich wohl glaubte, eine inhaltliche Widerlegung sparen zu können, finde ich tatsächlich allerhand. Weltanschaulich mögen sie bei Correctiv vielleicht für links gelten wollen, im Umgang mit Menschen verhalten sie sich aber genauso wie die Springer-Presse. Von ihrer inhaltlichen Beratungsresistenz fange ich lieber gar nicht erst an.

Würde man die unpassende und weinerliche Begründung der CDU-Anfrage weglassen, ist die Frage, in welchem Umfang CORRECTIV mittlerweile - direkt und indirekt - von Staatsgeldern lebt, sehr wohl interessant, und das gilt für andere NGOs ebenfalls. Eine NGO, die beispielsweise zu einem so großen Teil durch Steuergelder finanziert wird, die teils direkt, teils über staatliche Stellen, teils über andere Organsationen hindurchgeschleust werden, daß sie für ihren Fortbestand zwingend auf diese Art der Finanzierung angewiesen ist, wäre das dann aber überhaupt noch eine Nichtregierungsorganisation? Aus dem angelsächsischen Raum ist mir der Begriff "Quango" bekannt. Das steht für "Quasi-non-governmental Organization", also für eine Mogelpackung: Sie tut so, als wäre sie eine Nichtregierungsorganisation, obwohl sie in Wirklichkeit ganz oder überwiegend vom Staat finanziert wird, also keineswegs unabhängig ist. Ihr Job ist es, lautstark für die Umsetzung bestimmter politischer Ziele Propaganda zu machen, damit die Regierung so tun kann, als würde der öffentliche Druck sie dazu nötigen, diese Forderungen zu erfüllen, die sie insgeheim die ganze Zeit selbst verfolgt und durch die Finanzierung von Quangos zu befördern und beschleunigen versucht hatte. Ich kann beim besten Willen nicht einsehen, warum ein gewisses Grundmißtrauen gegenüber dieser Art von insgeheim nicht unabhängigen, aber nach außen Unabhängigkeit vortäuschenden Organisationen als Majestätsbeleidigung gelten sollte. Die Logik, nach der diese Gruppierungen öffentlich Meinungsbildung betreiben, besteht dann ja gerade nicht darin, der Öffentlichkeit ein unvoreingenommenes Urteil zu ermöglichen.

Alleine schon deshalb wäre es an sich ganz gut, die finanziellen Verhältnisse solcher Organisationen transparent zu machen, auch um diejenigen kennenzulernen, die tatsächlich unabhängig sind und aus dem Aufklärungs- und Handlungsinteresse der Öffentlichkeit heraus sich gebildet haben und in diesem Interesse handeln. Daß die CDU es nun zum falschen Zeitpunkt und aus den falschen Gründen fordert, ändert nichts daran, daß es nicht ganz unwichtig wäre, dies zu wissen.

Die bittere Wahrheit lautet nämlich, daß die Schwurbler und Verschwörungstheoretiker und Schiefdenker ihre Phantastereien häufig um einen wie kleinen auch immer, aber jedenfalls wahren Kern herum zusammengesponnen haben, und der wahre Kern ist es, der sie in den Augen vieler - zu vieler - anderer dann auch so glaubwürdig wirken läßt, obwohl sie natürlich erst recht lügen, daß sich die Balken biegen. Dieser Reflex, den Feind des Feindes für seinen Freund zu halten, scheint leider unausrottbar. Vielleicht übertreibe ich ja, wenn ich mir angewöhnt habe, ebenso reflexartig und bis zum Beweis des Gegenteils immer beide Seiten jeder Kontoverse gleichermaßen für meine Feinde zu halten - je undifferenzierter sie argumentieren, desto mehr -, aber vermutlich liege ich damit dennoch weniger weit daneben als der Durchschnitts-AfD-Fan.

Eine weitere unangenehme Wahrheit besteht meines Erachtens darin, daß alle Bemühungen gegen antidemokratische Populisten vermutlich zum Scheitern verurteilt sind, solange man nicht dafür sorgt, daß es diesen wahren Kern in jeder ihrer Lügen nicht mehr gibt, der ihnen zu dieser Glaubwürdigkeit mitverhilft. Dafür bräuchten wir aber vermutlich mehr Robert Habeck und weniger Friedrich Merz. Wie wenig Spaß es gemacht haben muß, in der scheidenden Regierung Robert Habeck zu sein, läßt sich aber erahnen, seit Habeck ankündigte, innerhalb der Grünen keine höheren Ämter mehr wahrnehmen zu wollen. Man mag von ihm halten, was man will, aber leicht hat er sich sein Ministeramt offenbar nicht gemacht. Es ist bestimmt um einiges weniger unbequem, stattdessen Friedrich Merz zu sein. 

***

Soweit die Weltlage das künftig für ihn zulassen wird, also weiter der gewohnte Friedrich Merz zu sein, heißt das. Was mit Donald Trump auf die Welt zukommen würde, war ja von vornherein klar, und ob es tatsächlich bei seehr langen vier Jahren bleiben wird, läßt sich im Moment auch noch nicht seriös voraussagen. Denn Donald Trump selbst ist keinesfalls der Autor der politischen Strategien, in deren Rahmen am Freitag eine Art weltpolitisches Erdbeben ausgelöst wurde. Dazu ist er intellektuell gar nicht in der Lage. Der "kollektive Donald Trump" hinter seiner Präsidentschaft hat aber ein strategisches Interesse daran, die Macht dauerhaft zu gewinnen. Ob die Mittel der amerikanischen Oligarchen dazu ausreichend sind, kann nur die Zeit zeigen, aber jedenfalls ist die Person Donald Trump nur ihr besonders häßliches Gesicht nach außen. Dieses häßliche Gesicht wäre ersetzbar, ohne daß sich an einer veränderten Struktur und autkratischen Steuerung der USA noch etwas ändern muß, wenn sie erst einmal eingerichtet ist.

Aber zurück zum Erdbeben. Über die öffentliche Demütigung des ukrainischen Präsidenten Selenski war ich ironischerweise weniger erschüttert als nahezu jeder, den ich in Politik und Privatleben in den letzten Tagen dazu erlebt habe. Und im Grunde genommen hat für mich diese dick aufgetragen Erschütterung schon etwas Aufgesetztes. War das etwa nicht eines der Dinge, mit denen man bei einem Trump von vornherein rechnen mußte? Man kann darüber entsetzt sein, aber was war daran denn erstaunlich? Wenn man über Donald Trump etwas Positives sagen kann, dann  ist es dies, daß er nie ein Geheimnis daraus gemacht hat, wes Geistes Kind er ist, und seine ersten vier Jahre waren ja auch schon lang genug, daß dies jedem hätte auffallen können. Wer also darüber erstaunt war, der kann die Sache nicht sonderlich genau beobachtet haben. Das aber kann nur für Normal-Medienkonsumenten überhaupt denkbar sein, denn in der höheren Politikriege muß das jeder längst gewußt haben.

Mit dem Bodenschätze-Deal, um dessen Unterzeichnung es am Freitag eigentlich hätte gehen sollen, habe ich mich zugegebenermaßen nicht befaßt, aber die Sache hörte sich für mich auch schon ziemlich fishy an, so als hätte die US-Regierung sich alle Mühe gegeben, aus der Ukraine das Maximum an Vorteilen herauszuschlagen, was ja bei einem Land, das um seine Existenz kämpft, eine Menge Rücksichtslosigkeit beweist. Erinnert sich eigentlich noch jemand an den von allen, die sich für links hielten, auf unzähligen Demos nachgebeteten Slogan "Kein Blut für Öl"? Es hat jahrzehntelange Tradition, den USA bei jedem friedlichen oder unfriedlichen Einsatz in anderen Gegenden der Welt vorzuwerfen, in Wirklichkeit wolle sie sich nur an den Rohstoffen des betreffenden Lands bereichern. Aus irgendeinem Grund ist aber das völlig offene und hemmungslose Sichbereichernwollen an der Ukraine etwas, woran diesmal erstaunlicherweise niemand etwas auszusetzen hat. 

Ich habe mittlerweile, glaube ich, alle denkbaren und undenkbaren Deutungen der Szenen im Oval Office gelesen, weil ich mir ein Urteil bilden wollte, was genau der Auslöser für dieses Spektakel war und was die Folgen davon sein können, und bei aller gebotenen Vorsicht, weil man ja nie hinter die Fassade sehen kann: Es gibt ein paar Gründe dafür, warum ich es für sehr wahrscheinlich halte, daß die Sache inszeniert war. Ein paar dieser Gründe habe ich anderswo gelesen. Ein besonders wichtiges Indiz ist es aber meines Erachtens, daß die berüchtigte Sankt Petersburger Trollarmee nach den allerersten schockierten Solidaritätsadressen mit Selenksi auf Twitter unverzüglich und in Heerstärke in Marsch gesetzt worden ist und jede Solidaritätsbekundung der einschlägig bekannten Twitterer mit Selenski - von Politikern über Experten bis zu Journalisten oder auch Prominente, die die Ukraine unterstützen -  mit gehässigen Angriffen auf diesen Mann überzog. Durch einen glücklichen Zufall habe ich das live mit angesehen und mir fielen sofort die Parallelen zum Aufmarsch der bezahlten Trolle 2014 bei der Krim-Annexion auf. Abgesehen davon, daß es einfach zu viele Teilnehmer mit so einer Meinung waren, um echt sein zu können - auch ohne Strichliste fällt ja auf, daß das die vielfache Zahl an Leuten ist als sonst -, auffällig war auch, daß Begrifflichkeiten und "Argumente" wie damals bei der Krim überhaupt nichts mit dem zu tun hatten, was man von normalen Leuten so hören kann. Was geradezu roboterhaft von unzähligen Kommentaren auf einen einzigen Tweet eines Politikers oder Journalisten oder Experten wieder und wieder auftauchte, waren etwa immer wieder zwei Begriffe, "Bettler" und "Kokser", mit denen der ukrainische Präsident auch von unzähligen deutschsprachigen Accounts wieder und wieder bezeichnet wurde. Das am Freitagabend waren in der deutlichen Mehrheit eindeutig keine echten Meinungsäußerungen, und früher oder später wird sich das, genau wie 2014, bestimmt beweisen lassen. Merkwürdigerweise ist dieser Zusammenhang bislang außer mir aber anscheinend niemandem aufgefallen. 

Wie auch immer, dieser Just-in-Time-Trollaufmarsch spricht ganz deutlich dafür, daß man in Moskau wußte, was bei diesem Termin passieren würde.

Die USA haben also die Seiten gewechselt, unterstützen nun aktiv Rußlands Interessen und die US-Regierung spricht sich mit dem Kreml über ihre Weltpolitik ab. Über die Folgen dieses Seitenwechsels wage ich einstweilen keine Prognose, aber sie müssen nicht zwangsläufig in eine Katastrophe führen. Fest steht, daß die USA nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Europa kein Verbündeter mehr, sondern ein Risikofaktor und schlimmstenfalls ein Gegner sind. Daß Europa seine Verteidigung nunmehr schnellstmöglich von den USA unabhängig machen muß, das stand übrigens auch für meine Bekannte gestern im Café außer Frage. Vielleicht gelingt es sogar. Aber Spaß machen wird es natürlich nicht, irgendwie muß es finanziert werden, und auf wessen Kosten das geschehen wird, ist im Moment noch nicht absehbar, und nach dem ersten Schock wird sich dagegen vermutlich noch, bevor solche Details entscheiden werden, natürlich eine schiefdenkerische Protestbewegung formieren. Damit die nicht das AfD-Wählerpotential noch einmal verdoppelt, kann Donald Trump im Grunde gar nicht übergeschnappt genug auftreten, um denen, die für die Aufrüstung zur Kasse gebeten werden, überzeugend zu demonstrieren, daß die Rüstungsausgaben keinesfalls vermieden werden können. Also bin ich in der kuriosen Lage, mir zu wünschen, daß bloß niemand auf die Idee kommt, ihm Ritalin oder ein starkes Beruhigungsmittel zu verabreichen.

Wir leben also in sogenannten interessanten Zeiten. Ja, mir wäre mehr gepflegte Langeweile eigentlich auch lieber. Aber raussuchen kann man sich so was ja nicht. 

 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen