Freitag, 23. August 2024

Epistemisches Mißtrauen oder: "Meinten Sie: Döner?"

Mein Gewicht heute früh am zweiten Tag nach dem dreitägigen Fastenintervall: 76,8 Kilogramm. Immerhin, das liegt niedriger als vor zwei Wochen, wenn auch nur marginal. Freilich, vor zwei Wochen war auch meine Verdauung etwas in Unordnung. In dieser Woche fühlte sich das alles erfreulich normal an. 

Überhaupt frage ich mich, ob das immer noch eine Antikörpertherapie-Folge sein könnte, daß ich mich die meiste Zeit etwas und zuweilen auch unangenehm verstopft fühle. Im letzteren Fall ist das auch mit einem leicht säuerlichen Geschmack im Mund verbunden, etwas, das ich vor der Chemo nie erlebt habe und im Falle einer Erkältung oder sonstigen Infektion sogar ziemlich intensiv werden kann. Das vor allem weckt in mir den Verdacht, daß dies tatsächlich unter Chemo- oder Trastuzumab/Pertuzumab-Langzeitfolgen zu verbuchen sein könnte. 

Das Ende meiner Antikörpertherapie ist erst knapp über ein halbes Jahr her, also hoffe ich zuversichtlich, daß mich dies nicht bis an mein Lebensende begleiten wird. Zumal es im Moment wieder ganz weg ist.

Gespannt bin ich außerdem, welche Wirkung mein Umzug mit all den kleineren und größeren Veränderungen in meinen Alltagsroutinen sowohl auf mein Körpergewicht als auch auf meine sonstige Gesundheit haben wird. Bislang wohne ich im Stadtzentrum, künftig außerhalb der Stadtgrenzen in einem viel lockerer besiedelten Gebiet mit viel Wald, Wiesen und Feldern in der Nähe. Alleine schon, daß ich mich künftig um einen Garten zu kümmern habe, garantiert schon, daß ich mehr Zeit als bislang im Freien verbringen werde. Möglicherweise werde ich mir ein Fahrrad zulegen, aber da lege ich mich noch nicht fest. Im Stadtverkehr Fahrrad zu fahren, das wollte ich mir nicht antun, aber vielleicht macht mir die neue Umgebung ja Lust darauf, zumal es einen sehr interessant aussehenden Hofladen mit einem ziemlich großen Angebotsspektrum gibt, der ein bißchen außerhalb des Orts ist - zu Fuß ist man zu ihm ein Weilchen unterwegs, aber mit dem Fahrrad wäre es ein Katzensprung.

Einstweilen sind es aber noch ein paar Wochen, bis es ernst wird mit dem Umzug.

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Es ist ungefähr 15 Jahre her - ich muß damals Mitte vierzig gewesen sein -, als meine damalige Hausärztin, mit der ich vergeblich nach dem Casus knacksus eines vergleichsweise harmlosen Zipperleins suchte, nach meinen üblichen Spruch, daß das wohl unter "Altwerden ist halt scheiße" verbucht werden müsse, erwähnte, daß ihrem Eindruck nach die ersten Alterszipperlein tatsächlich bei vielen kurz nach dem 40. Geburtstag einsetzen. Daran mußte ich denken, als ich bei der Tagesschau einen Bericht über eine Studie las, nach der der Alterungsprozeß nicht linear, sondern vor allem in zwei ausgeprägten Schüben verläuft. Der erste Schub erfolgt durchschnittlich Mitte vierzig, der zweite um die sechzig, meßbar durch entsprechende molekulare Veränderungen.

Der erste Schub molekularer Veränderungen ab Mitte 40 hat zur Folge, dass sich die Alkohol- und Fettabbauprozesse verschlechtern. Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden häufiger und der Muskelabbau wird schneller. Bei dem zweiten Schub um die 60 Jahre kippt dann vor allem unser Zuckerstoffwechsel und die Immunregulation, die Nierenfunktion wird instabiler und es gibt nochmal einen Schub hin zum Abbau von Muskeln.

Mir fehlt gerade die Zeit, um die zugehörige Studie durchzulesen, was ein Jammer ist, da sie im Volltext online verfügbar ist. Ich hoffe, ich finde noch die nötige Zeit dafür. Aber grundsätzlich ergibt das Altern in Schüben, wie hier skizziert, aus meiner Sicht schon einen Sinn. Es würde zu dem, was man im richtigen Leben bei den Leuten im einschlägigen Alter beobachtet, gut passen, und es würde auch erklären, warum bis dahin schlanke Leute als Mittvierziger anfangen, zuzunehmen - und warum das auch schon vor hunderten von Jahren geschehen ist, jedenfalls in Zeiten, an Orten und dort in Milieus, in denen die Nahrung nicht knapp war. Eine offene Frage muß bleiben, ob das wirklich erst, wie Professor Seyfried meint, mit der neolithischen Revolution begonnen hat, also als sich die Ackerbauer-Lebensweise gegenüber der von Jägern und Sammlern durchsetzte. Ich fände es hochinteressant, in den geforderten Folgestudien auch diese Alterungsprozesse auf molekularer Ebene bei Menschen mit verschiedenen Ernährungsweisen miteinander zu vergleichen. Sollte Seyfried recht haben, dürften diese Prozesse bei Low-Carb-Ernährung entweder gar nicht oder jedenfalls sehr viel weniger ausgeprägt stattfinden.

Ich weiß nicht, was ihr gefehlt hat, aber es ist jetzt ein knappes Jahr her, daß ich die Todesanzeige meiner damaligen Ärztin sah. Sie war erst Mitte sechzig, als sie starb. Ihre Praxis bei mir um die Ecke hatte sie aber schon vor mehr als zehn Jahren aufgegeben, und so weiß ich nicht, wie es ihr danach ergangen ist. Aber doch, es schlug mir schon aufs Gemüt.

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Ich stolperte neulich über den Begriff des "epistemischen Vertrauens", den ich bis dahin nicht gekannt hatte. Das "epistemische" Vertrauen ist abgeleitet von der Epistemologie, der Erkenntnistheorie. Gemeint damit ist die (angemessene!) Einschätzung eines Laien gegenüber einem Fachmann, ob die von ihm gebotenen Informationen vertrauenswürdig sind oder nicht, was natürlich einen erheblichen Einfluß darauf hat, ob er ihrem Rat folgen wird oder nicht. Im Fall, von dem ich las, ging es um Psychotherapeuten, aber die Problematik ist eine generelle. Fehlendes epistemisches Vertrauen ist meines Erachtens die Ursache der vielbeklagten Wissenschaftsfeindlichkeit, deren Gründe meines Erachtens notorisch an falschen Stellen gesucht werden. 

Das gilt auch für die Psycho-Docs, die den Begriff des epistemischen Vertrauens erfunden haben, weil sie dies primär mit irgendwelchen frühkindlichen Erfahrungen erklären wollen. Das halte ich für abwegig. Ich habe dieses Vertrauen schließlich auch nicht. Aber das war nicht immer so. Bei mir waren es meine Erfahrungen im Erwachsenenalter mit Expertenrat, der sich unter dem Strich enttäuschenderweise meistens meiner eigenen laienhaften Herangehensweise als unterlegen erwiesen hat, mir nämlich im Vergleich zu Fällen, in denen ich auf Expertenrat verzichtet oder ihn in den Wind geschlagen hatte, seltener die Hilfe brachte, die ich damit gesucht hatte.

Einen Schlüsselfaktor, der entscheidend ist für die Frage, ob man einem Experten vertrauen wird oder nicht (oder nach entsprechend vielen einschlägigen Erfahrungen Experten überhaupt nicht mehr vertrauen will)  habe ich im gleichen Text entdeckt, nämlich in dem Satz: "Wenn ich das Gefühl habe, verstanden zu werden, bin ich gewillt, von der Person zu lernen, die mich verstanden hat." Genau das ist es nämlich. Was speziell bei mir die Bereitschaft, von jemandem zu lernen, extrem schnell auf Null bringen kann, ist ein Gesprächspartner, der mir in der Umkehrung dieses Satzes das Gefühl gibt, mich erstens nicht zu verstehen und zweitens weder bereit ist noch dazu gebracht werden kann, dies zu ändern. 

Ein eindrucksvolles Erlebnis dieser Art bot mein erster gynäkologischer Onkologe. Ich erinnere mich aber auch noch an das erste Mal, als ich bewußt wahrgenommen habe, daß ich von einem Experten ungeachtet seiner fachlichen Qualifikation keinen guten Rat erwarten konnte. Das war irgendwann in den Neunzigern bei einer Beraterin des Jugendamts, die ich wegen Sorgen, die mein Sohn mir machte, aufgesucht hatte. Aus eigenem Antrieb, denn ich war durchaus bereit, mir Hilfe von außen zu suchen, wenn ich selbst nicht mehr so recht weiterwußte. Aber dieser Frau habe ich nach dem ersten Gespräch nicht mehr zugetraut, mir helfen zu können. Und zwar deshalb, weil sie mich daran gehindert hat, ihr den Sachverhalt zu beschreiben. Sie stellte mir zwar eine Menge Fragen, aber unterbrach mich jedes einzelne Mal, wenn sie glaubte, genug zu wissen. Ich war allerdings anderer Meinung, denn der Teil, den sie erfahren hatte, ergab meistens ein ganz anderes Bild als wenn sie mich hätte ausreden lassen. Sicherlich hätte sie aus den Informationsbruchstücken ein vollständig wirkendes Bild zusammensetzen können, nur hatte das höchstwahrscheinlich nichts mit mir und meinem Sohn und meinen Schwierigkeiten mit ihm zu tun.

In MS-Word kam der kurioseste Änderungsvorschlag, den ich je erlebte, in einem Text zur gehobenen französischen Küche vor. Immer, wenn von einem "Dîner" die Rede war, kam der Änderungsvorschlag "Meinten Sie: Döner"? Das war lange nach dem Erlebnis mit der Sozialpädagogin, also kann ich das, was ich von ihren Ratschlägen befürchtete, erst in der Rückschau damit vergleichen. Aber daß da nichts Gescheites herauskommen konnte, und zwar deshalb, weil es allzu deutlich erkennbar war, daß die Frau mir Döner statt Dîner als Lösung vorschlagen würde, weil sie den Kontext nicht verstand und offenbar auch gar nicht verstehen wollte, war mir natürlich klar genug. Also habe ich davon Abstand genommen, ihren Rat zu erfragen, sondern den Kontakt zu ihr wieder abgebrochen. Mit dem, was meine Eltern getan oder unterlassen haben, hatte meine Skepsis also gar nichts zu tun, sondern mit dem Verhalten dieser Expertin. 

Falls meine frühe Kindheit aber doch irgendetwas damit zu tun haben sollte, müssen meine Eltern und sonstigen Bezugspersöninnen aber etwas richtiger als viele andere gemacht haben. Denn mich machte damals - und in der Folge auch später immer wieder bei begründeten Zweifeln am Sinn, fachlichen Rat zu suchen - außerdem stutzig, daß es bei manchen Leuten schier unmöglich war, die Gründe für mein fehlendes Vertrauen in die Fachfrau so zu vermitteln, daß sie meine Bedenken und Einwände für berechtigt hielten. Verblüffend häufig wurde mir im damaligen oder auch in späteren vergleichbaren Fällen offen oder subtil unterstellt, daß ich eine Wahrheit, die unangenehm sei, offenbar einfach nicht akzeptieren wolle. Daß ich von dem jeweiligen Experten die Wahrheit in Großbuchstaben erfahren haben müsse, setzten sie also voraus.

Fehlendes epistemisches Vertrauen kann solchen Leuten sicherlich niemand nachsagen. Verschwörungstheoretiker verhalten sich aber meistens exakt genauso, nur richten sie ihr epistemisches Vertrauen auf diejenigen, die genau das Gegenteil der etablierten Experten behaupten. Was beide Arten von Menschen gemeinsam haben, ist, daß sie die vermutete Vertrauenswürdigkeit von Personen (bzw. manchmal Institutionen) als Maßstab nehmen, nicht die von ihnen vertretenen Inhalte. Diese Inhalte werden dann einfach nachgeplappert. 

Ehrlich gesagt, das Buch zum epistemischen Vertrauen, über das ich gestolpert war, habe ich gar nicht gelesen. Mich beschäftigt lediglich die Frage, ob ich es nun löblich finden soll, daß die Psychotherapeutenzunft erkannt hat, daß sie keine erfolgreiche Therapie durchführen kann, wenn der Patient ihnen nicht vertraut, weshalb ggf. auf Therapeutenseite dieses Vertrauen geschaffen werden sollte. Denn bei anderen Arten von Fachleuten gibt es diese Einsicht ja überhaupt nicht, daß man selbst vielleicht ungewollt mit Ursache zum Mißtrauen gegeben und damit die heute so gerne diagnostizierte Wissenschaftsfeindlichkeit mitausgelöst hat. 

Es wäre ja immerhin ein Fortschritt, wenn die sich angefeindet fühlenden Wissenschaftler einmal die Frage, ob sie selbst vielleicht - meinetwegen ganz ungewollt - bei den Anfeindern epistemisches Mißtrauen ausgelöst haben, denn das wäre die Grundlage dafür, dies künftig nicht mehr zu tun und dann vielleicht wieder weniger angefeindet zu werden. Aber andererseits behagt mir die Vorstellung gar nicht, wenn Experten, die nur so tun, als ob sie die richtigen Ratschläge geben könnten, das bei einem größeren Teil der Menschen als bislang vortäuschen können, weil sie gelernt haben, wie man gegenüber ratsuchenden Laien möglichst vertrauenswürdig und überzeugend wirkt. Dann bekommen die Leute nämlich dieselben untauglichen Ratschläge wie schon seither, nur auf eine vertrauenswürdiger wirkende Weise. 

Also, mir ist es ja völlig banane, ob ein Ratgeber nun vertrauenswürdig wirkt oder nicht, sofern sich nur nachweisen läßt, daß sein Rat gut und vernünftig ist. Mir kann sicherlich auch mal eine kluge Empfehlung durch die Lappen gehen, aber dafür bricht mir auch keine Verzierung ab, wenn ich sie am Ende doch aufgreife, nachdem sich gezeigt hat, daß sie nachweisbar vernünftiger ist, als es das Gebaren des Ratgebers annehmen ließ. Aber natürlich kann man auch mich einfacher überzeugen, indem man sich nicht zu vornehm dazu ist, mir plausibel zu machen, was ich spontan anzweifelte. Dafür braucht man keine Autoritäten und man muß mich auch nicht bauchpinseln. Mir reicht es, wenn ich eine Möglichkeit habe, auszuprobieren, ob die Sache Hand und Fuß hat.





Montag, 19. August 2024

Der Low-Carb-Pionier Robert Atkins

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des dreitägigen Fastenintervalls: 79,6 Kilogramm. Das Seltsame ist, daß der schleichende Gewichtsanstieg erst ab ca. Mitte Juli losgegangen ist, bis dahin dachte ich ja sogar, daß mein Gewicht tendenziell fällt. Aber wie auch immer, es wird wohl doch Zeit, dafür zu sorgen, daß ich weiter unter 80 bleibe. Deshalb werde ich ab nächster Woche bis zum Beginn der heißen Umzugsphase wieder zwei Fastentage in den Frühschichtwochen meines Mannes einbauen, normalerweise wieder Dienstag und Donnerstag, wobei ich das je nach Tagesanforderungen bestimmt öfter auch auf einen anderen Tag verschieben werde. In den Spätschichtwochen bleibe ich voraussichtlich bei drei aufeinanderfolgenden Fastentagen immer von Montag bis Mittwoch.

Was ich in den Wochen des Umzugs mache (die Phase von Ende September bis Mitte/Ende Oktober), habe ich noch nicht entschieden, aber direkt nach dem Umzug steigen wir wahrscheinlich sofort in die Low-Carb-Phase ein, die ich ohnehin mit meinem "alten" Fastenrhythmus kombinieren wollte, also 4-2-4-2. Es kann sein, daß das diesmal bloß vier oder fünf Wochen werden, das hängt auch davon ab, wie lange es dauert, bis wir im neuen Heim richtig "angekommen" sind.

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Atkins "Diät-Revolution" war mir eigentlich dem Namen nach schon seit Jahrzehnten bekannt, obwohl ich mich inhaltlich nie damit auseinandergesetzt habe und mir sogar durch die Lappen ging, daß Atkins in den neunziger Jahren mit der "neuen Atkins-Diät" nachlegte, damit wie mit seinem ersten Buch einen Bestseller landete und um die Jahrtausendwende offenbar einen Low-Carb-Hype auslöste, den Vorgänger des jetzigen Hypes. Dieses zweite Buch habe ich jetzt, nun ja, überflogen. Denn es gründlich zu lesen, konnte ich mir sparen, viele Details zu von ihm propagierten Ernährungsform kannte ich ja längst, weil die Unterschiede zu heute üblichen LC-Formen unerheblich sind. 

Atkins starb 2003 im Alter von 72 Jahren an den Folgen eines Unfalls, und es gab eine Art Skandal, weil die ernährungsmedizinische Konkurrenz den zugehörigen Autopsiebericht leakte, dem zufolge Atkins selbst adipös gewesen sei und außerdem an typischerweise der Ernährung zugeschriebenen Krankheiten gelitten habe. Seine empörte Witwe ging an die Öffentlichkeit, um zu widersprechen: Das angegebene Körpergewicht (117 kg bei einer Körpergröße von 1,83) sei eine Folge der Behandlung im Krankenhaus vor seinem Tod gewesen, die ihn unglaublich aufgeschwemmt habe. Tatsächlich habe er 89 Kilogramm gewogen, was für einen Mann seines Alters völlig normal sei. 

Festzuhalten ist hier, daß, normal oder nicht normal, das Gewicht, das seine Witwe angab, dennoch leichtem Übergewicht, nämlich einem BMI von 26,6 entsprochen hätte. In die Statistik wäre Atkins also als übergewichtig eingeflossen. Ob der BMI ein sinnvoller Maßstab ist, darf natürlich diskutiert werden, und ebenso, ob die Definition von Übergewicht wirklich in jedem Lebensalter dieselbe sein sollte.

Aber ist es wirklich denkbar, daß wenige Tage einer aufschwemmenden Krankenhausbehandlung - die es ja wirklich gibt - zu einer Zunahme des Körpergewichts um sagenhafte 28 Kilogramm geführt haben könnten? Ich will das nicht zu voreilig ausschließen, aber man sehe mir eine gewisse Skepsis nach. Als mein verstorbener Schwager im Krankenhaus endlich durchsetzen konnte, daß man entwässernde Maßnahmen durchführte, verlor er ziemlich schnell viel Gewicht. Die exakte Zahl weiß ich nicht mehr, aber es waren ein bißchen mehr als zehn Kilogramm, 12 oder vielleicht auch 13. 28 Kilo kommt mir im Vergleich auch dazu enorm viel vor.

Ich halte es außerdem auch nicht für ausgeschlossen, daß Atkins - der seine Diät ja immerhin beim eigenen Kampf gegen überflüssige Pfunde entwickelt hatte - entgegen den vollmundigen Versprechen in seinem Buch halt doch nicht dauerhaft rank und schlank geblieben war, sondern immer mal wieder nachjustieren mußte, weil die Zahl, die die Waage anzeigte, halt doch im Lauf der Zeit nach oben schlich. Dafür spricht auch, daß Atkins seine Diät ja weiterentwickelt hatte, sicherlich auch im eigenen Interesse, sein Gewicht zu regulieren, was offenbar mit Version 1 nicht dauerhaft zu seiner Zufriedenheit geklappt hatte. Einer der Unterschiede der neuen zur ursprünglichen Version von 1972 besteht beispielsweise darin, daß er nun Bewegung für einen wichtigen Faktor hält, was ursprünglich nicht der Fall gewesen war. Dieser neue Faktor verhalf ihm vermutlich zurück zu seinem Zielgewicht, aber eine dauerhafte Gewichtsstabilität ohne gelegentliche steuernde Maßnahmen halte ich für unwahrscheinlich, weil sie eher untypisch zu sein scheint.

Die Wahrheit dürfte also vielleicht in der Mitte zu suchen sein. Atkins kann sehr wohl trotz korrekter Anwendung seiner Diät immer wieder mit ein paar überflüssigen Pfunden gerungen haben, aber außerdem durch die Behandlung, die sein Leben dann nicht retten konnte, zusätzlich noch aufgeschwemmt worden sein.  

Atkins ist ja auch nicht der erste Diät-Guru gewesen, dessen Erfolgsmodell zum Abnehmen angesichts der Entwicklung beim Erfinder selbst die eine oder andere Frage aufwirft. Das ist ja eine Art roter Faden in der Geschichte des Abnehmens. Ob nun Joschka Fischers langer Lauf zu sich selbst oder Angela Merkels pragmatische Methode, alle Snacks zwischen den Mahlzeiten zu eliminieren, oder sogar Siegmar Gabriels Magenverkleinerung: Das erhoffte Normalgewicht zu erreichen bzw. das erreichte Gewicht auf Dauer zu halten klappt bei den wenigsten, und solange man von der Kalorienlogik nicht wegkommt, wird das wohl weiter typischer Bestandteil aller Diäten sein.

Auch Atkins huldigte neben der immerhin vorhandenen Erkenntnis der hormonellen Wirkweise im Prinzip der Kalorienlogik, er ging davon aus, daß ein Teil des Erfolgs von kohlehydratarmer Ernährung darauf zurückzuführen sei, daß die Sättigung mit weniger Kalorien erreicht werden kann - was ebenfalls zutreffen dürfte, wenn man nach Kevin Halls einschlägiger Studie geht, die allerdings viel zu kurz war, um etwas über eine Langzeitwirkung aussagen zu können. Atkins selbst nannte in seinem Buch eine Zunahme von 2 Kilogramm, ab der man gegensteuern sollte, was ich jetzt fast schon übertrieben finde. Aber im Grunde reagiere ich jetzt auch auf ungefähr diesen Wert. Mein niedrigestes Vor-Fasten-Gewicht lag bei 75,5 Kilogramm, aber das war direkt nach der Endspurtphase und eine Zunahme direkt im Anschluß daran war ja einkalkuliert und das Ziel bestand darin, die 78 Kilogramm nicht zu überschreiten, was mir ja leider nicht gelungen ist. Wenn ich jedenfalls von 77,5 Kilogramm ausgehe, liege ich gerade ziemlich genau zwei Kilo darüber. Hätte ich im Frühjahr mein Zielgewicht erreicht, wäre ich wohl bei 77,5, also ebenfalls bei zwei Kilo plus zusätzlich zu der ohnehin erwarteten Zunahme, aktiv geworden.

Zufälligerweise las ich gerade auch einen Bericht über die Autorin des allerersten Diät-Bestsellers, dessen Abnehm-Modell auf Kalorienzählen beruhte, Lulu Hunt Peters, die das Buch schrieb, nachdem sie 35 Kilogramm abgenommen hatte. Interessanterweise wird in dem Artikel nicht darauf Bezug genommen, daß Frau Peters auf einem Foto, das wenige Jahre nach der Buchpublikation erschien, in der Gruppe von Damen keineswegs als besonders rank und schlank auffällt (Lulu Peters ist die Frau in der Mitte in der vorderen Reihe), auch wenn sie sicherlich ihr Vorher-Gewicht auch noch nicht wieder erreicht hatte. Und, zugegeben: Besonders figurfreundlich ist die Kleidung, die die Damen anhaben, natürlich auch nicht. Aber die Dame in der Mitte wirkt schon kompakter als jede der anderen fünf in der ersten Reihe.

Red Cross humanitarian mission

Ich zögere, das Buch von Atkins zu empfehlen, weil es ein paar falsche Versprechungen macht, möglicherweise einer der Gründe dafür, warum der LC-Hype dann wieder abflaute, bevor er wieder neu entfacht wurde. Denn die Atkins-Diät soll lebenslänglich eingehalten werden und sie ist damit eine von diesen "Ich darf nie wieder x essen"-Diäten. Daß einem seltene homöopathische Dosierungen der verbotenen Lebensmittel zugestanden werden, ist eher noch eine Verschärfung der Folter als eine Erleichterung. Das erinnert mich an die zwei Rippchen Schokolade, die meine Geschwister und ich in unserer Kindheit von unserer Mutter als Betthupferl bekamen. Damals hätte ich das sicher nicht so gesehen, aber rückblickend meine ich, es wäre für mich weniger unangenehm gewesen, diese Miniportion gar nicht zu bekommen. Winz-Portionen von besonderen Köstlichkeiten gehören meiner Meinung nach durch die Genfer Konvention verboten. 

Kurz, egal, wie oft Atkins in seinem Buch betont, daß die meisten Anwender dauerhaft dabei bleiben, sich nach seinem Diätkonzept zu ernähren, ich glaube ihm kein Wort. Das Problem dabei ist natürlich, daß wie bei Atkins selbst seine Patienten mehrheitlich ihr Gewicht damit weniger zuverlässig unter ihrer eigenen Kontrolle haben, als Atkins behauptet. Stagnations- oder sogar Zunahmephasen lassen bei vermutlich den meisten früher oder später die Selbstkontrolle bei der Ernährung schleichend erodieren, und zwar umso eher, je schmerzlicher bestimmte verbotene Lebensmittel vermißt werden. Richtig ist es aber sicherlich, daß regelmäßige Diäthalter jedenfalls für einige Zeit von LC entzückt sein werden, weil es eine Diät ist, die nicht zum Hungern zwingt, um abzunehmen. Und manche Leute vermissen wahrscheinlich wirklich dauerhaft überhaupt nichts, wenn sie Zucker, Mehl oder Reis ganz aufgeben, während für andere der Alltag und insbesondere der Einkauf oder Restaurantbesuche bzw. das soziale Leben dann jedes Mal die Selbstkontrolle einem Härtetest aussetzen. Das muß wohl jeder für sich selbst ausprobieren.

Das Buch enthält übrigens durchaus auch lesenswerte Teile, auch für Leute, die mit LC schon eigene Erfahrungen gesammelt haben, weil Atkins auszeichnet, daß er als Arzt Patienten mit seiner Ernährungsform behandelt hat und deshalb seine vierphasige Therapie sehr praxisorientiert aufgebaut hat und auch zu einer Reihe von möglichen Problemen Umgangsstrategien zu bieten hat. Man sollte sich halt nicht zu sehr von seiner Begeisterung anstecken lassen, denn die ultimative Ernährungslösung für eine einfache und dauerhafte Kontrolle seines Körpergewichts ist sie vermutlich für viele Anwender doch nicht, und das vor allem, weil sie wie jede andere Diät dazu zwingt, geliebte Speisen für immer aufzugeben.

Was mich, glaube ich, am meisten stört, ist neben dem penetranten Predigerton, daß Atkins gar nicht auf die Idee gekommen zu sein scheint, daß LC nicht das einzige Mittel sein könnte, mit dem das erhoffte Ziel auf dem Wege der Stoffwechselbeeinflussung erreicht werden kann, und daß es als Baustein unter mehreren solchen Mitteln sehr wohl möglich ist, LC effektiv einzusetzen, ohne es für den Rest des Lebens ununterbrochen beibehalten zu müssen. Fasten, in diesem Zusammenhang ja naheliegend, wird von ihm nicht ein einziges Mal als mögliche zusätzliche bzw. alternierend einsetzbare Maßnahme erwähnt. Darin unterscheidet er sich aber auch nicht von seinen Nachfolgern. Professor Seyfrieds therapeutischer Ketose, bei der es aus seiner Sicht letztlich unerheblich ist, auf welche Weise sie erreicht wird, ist die einzige Ausnahme, und sie bezieht sich ja nicht auf präventive Anwendung, sondern als Therapieansatz bei Krebserkrankungen. Aber genau diese Sorte Pragmatismus täte auch im Bereich Ernährung mit dem Ziel der Krankheitsvermeidung langsam mal not. Es ist doch hochgradig albern, daß die Fasten-Community mit ihren Dr. Fung und die LC-Community um Leute wie den lautstarken Dr. Tro immer so tun, als ginge sie die jeweils andere eigentlich gar nichts an.

Ich sinne darüber nach, welchen griffigen Namen man der Sache wohl geben könnte, analog zu Seyfrieds therapeutischer Ketose. Ob Ketose in diesem Namen auch vorkommen sollte? Ich bin mir aber nicht sicher, welchen Unterschied die Ketose beim Abnehmen macht. Daß die Keto-Sticks dazu nicht viel aussagen, das immerhin ist mir mittlerweile klargeworden. Wer massenhaft Ketone im Urin ausscheidet, bei dem steht ja vor allem fest, daß verflixt viele überschüssige Ketonkörper vorhanden sind, die vom Stoffwechsel gar nicht benötigt werden. Auf die Abnahmewirkung hat diese Art von Überschuß kaum einen Einfluß, also wundert es mich auch nicht, daß ich keinen Unterschied erkennen konnte, wenn die Verfärbung des Sticks intensiver oder weniger intensiv war. Übrigens ist mir jetzt auch klar, daß bei mehrtägigen Fastenintervallen kaum so intensive Verfärbungen auftreten sollten wie bei ketogener Ernährung, da ja nicht so wahnsinnig viel mehr Ketonkörper produziert werden, wie man benötigt, wenn man gar nicht ißt. Interessant immerhin, daß genügend Überschüsse erzeugt werden, um sie ungenutzt auszuscheiden. Interessant wird es außerdem, in meinen nächsten LC-Phasen regelmäßig den GKI zu messen und zu beobachten, ob ich dabei vielleicht doch einen Einfluß eines niedrigen GKI auf die Intensität der Abnahme feststellen kann. 

Aber da ich im Moment nicht sicher sagen kann, welche Rolle speziell das Erreichen der Ketose beim Abnehmen spielt, kann das im Namen für das Baby auch nicht vorkommen. Bis mir eine bessere Idee kommt, bleibe ich bei "hormonbasierter Gewichtsreduktion", aber das benötigt mir eigentlich viel zu lange Anläufe, um es zu erklären. Das hat aber auch damit zu tun, daß das gedankliche Konzept kaum von jemandem so vertreten wird. Es ist ärgerlich, daß auch die einschlägigen Vertreter von Fasten, Keto, zuckerfrei und all dem, das in diesen Bereich wenigstens teilweise hineinspielt, meist offen oder versteckt doch die Kalorien für maßgeblich halten und sie außerdem allesamt daran glauben, man müsse doch eine bestimmte alleinseligemachende Lösung finden, anstatt sich mit einem variablen Konzept, bestehend aus unterschiedlichen möglichen Bausteinen, die man auch alternierend oder in wechselnden Kombinationen anwenden kann, anfreunden zu können, und dabei vor allem von dem Ergebnis, nämlich einer Gewichtsabnahme bis zum Wunschgewicht und dem anschließenden Halten des Gewichts ausgehen. Es ist ja tatsächlich so, daß das, was beim einen eine tolle Wirkung hat, beim anderen nur wenig oder gar nichts bringt, und ebenso fallen manchen Leuten manche Dinge schwerer als andere, aber dafür andere leichter. Das hängt sicherlich auch nicht nur von Umgebungsfaktoren ab, obwohl die natürlich auch eine Rolle spielen, sondern auch vom individuellen Stoffwechsel.

Atkins' Verdienst besteht ohne Frage darin, daß er Pionierarbeit geleistet hat und es ihm gelungen ist, seinem Konzept, das besser ist, als meine wenig enthusiastische Beschreibung es vielleicht suggeriert hat (weil ich der Meinung bin, es fehlt mindestens ein weiterer Schritt hin zu einer wirkungsorientierten Sichtweise, statt sich auf eine einzelne Methode, die diese Wirkung erzielen kann, zu fokussieren), eine millionenfache Verbreitung zu verschaffen. In seinen Büchern hat er außerdem eine taugliche Grundlage geliefert, auf der man aufbauend weiterforschen könnte, wenn man nur wollte, und darauf basierend dann auch praxistaugliche Ernährungsweisen entwickeln. Kombinationen von Low Carb und Intervallfasten sind ja möglich und können sich sogar als einfacher erweisen. Mir jedenfalls erleichtern Fastentage die Disziplin in meinen Low-Carb-Phasen. Hat man einen, drei oder vier Tage lang gar nicht gegessen, schmeckt einem ja alles, was man im Anschluß daran ißt, ausgezeichnet, und es ist dann auch völlig egal, daß da keine Brötchen mit dabei sind.


Sonntag, 11. August 2024

Warum ich nicht mehr bei Aldi einkaufe

Mein Gewicht heute früh: 79,1 Kilogramm, was definitiv mehr ist, als ich gerne gehabt hätte. Andererseits ist es nicht so viel mehr, daß ich mir den Luxus leisten wollte, mir ausgerechnet jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Bei mir ist die Vor-Umzugs-Phase schon jetzt in vollem Gange. Noch dreieinhalb Wochen, und wir haben Notartermin. Einen Tag später gehe ich schon mit dem Käufer meiner Wohnung zum Notar. Das ist super, weil es mir ermöglicht, sehr schnell einen beträchtlichen Teil der Zwischenfinanzierung wieder zu tilgen und die zugehörigen Kosten zu minimieren, aber es macht unseren Zeitplan klarerweise ziemlich straff. Der Verkauf der Wohnung meines Mannes geht übernächste Woche in die Besichtigungsphase. Idealerweise stemmen wir diesen Verkauf auch noch im September oder Oktober, aber ob das wirklich klappen wird, läßt sich im Moment noch nicht sagen.

Die ersten Umzugskartons sind jetzt schon gepackt, unter anderem deshalb, weil ich einige schon ziemlich schrottige Möbelstücke (uralte Billy-Regale und so) schon jetzt abgebaut habe, weil meine Nachbarin - die mit der Katze - vor einigen Tagen ins Betreute Wohnen gezogen ist und ihre Wohnung nächste Woche entrümpelt wird. Da wollen wir uns als Trittbrettfahrer anhängen und ein paar Sachen von uns auch gleich mitentrümpeln lassen, von denen von vornherein klar ist, daß weder wir noch sonstwer noch etwas mit ihnen anfangen kann. Daß die zugehörigen Regal- und Schrankinhalte schon jetzt in Umzugskisten verschwunden sind, ist kaum ein Fehler, denn in der zweiten Septemberhälfte werden wir eine ganz Menge Kram auf einmal erledigen müssen. Deshalb werde ich möglichst viele Packarbeiten schon in den nächsten drei Wochen erledigen. 

Ja, und nebenbei versuche ich natürlich auch noch, meine Brötchen weiter zu verdienen. Frei nehme ich erst in der heißen Phase unmittelbar vor der Wohnungsräumung und dem Einzug ins Haus. Aber ich bin guten Mutes, daß das alles klappen wird. Wer sich weder von einer Chemotherapie noch von Bestrahlung von der Arbeit abhalten lassen hat, der wird das ja wohl bei so einem bißchen Umzug auch noch hinkriegen.

Da wir dasselbe Umzugsunternehmen wie die Nachbarin beauftragen wollen, werden wir den Entrümpelungstermin nächste Woche gleich nutzen, um eine erste Vorbesprechung für unser Umzugsvorhaben zu machen und ein Angebot einzuholen. Die Nachbarin hat für den Umzug ein bißchen mehr als 4000 Euro bezahlt. Ich bezweifle, daß das für unseren Umzug auch ausreichen wird. Einkalkuliert habe ich eher um die 50 % mehr, weil wir einfach mehr Zeugs haben. Aber mal sehen, dafür werden wir kürzere Fahrzeiten bis zu unserem neuen Heim benötigen. Was am Ende mehr ins Gewicht fällt, läßt sich schwer sagen. Ich beschwere mich natürlich gar nicht, wenn die Sache am Ende doch weniger als erwartet kostet. 

Wie auch immer, wahrscheinlich werde ich in den nächsten etwa zwei Monaten ziemlich wenig Zeit für Blogartikel haben. Sobald sich das Umzugschaos lichtet, steige ich mit einer Bestandsaufnahme wieder ein. Darunter nicht ganz unwichtig, das Körpergewicht, mit dem ich in die nächste Low-Carb-Phase einsteige, das bedauerlicherweise etwas höher ausfallen wird, als ich gehofft hatte, aber das krieg ich dann schon wieder runter.

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Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, an meinen aktuellen Einkaufsgewohnheiten noch vor meinem Umzug etwas Substantielles zu verändern. Weg des geringsten Widerstands und so. Aldi hat jetzt das kleine Kunststück fertiggebracht, mir das Einkaufen überflüssigerweise so viel unangenehmer zu machen, daß ich nach entschieden habe, künftig dort nicht mehr einzukaufen, jedenfalls keinen größeren Einkauf, sprich: mehr Artikel, als ich in zwei Händen bequem (!) tragen kann. 

In allen anderen Fällen als diesem weigere ich mich nämlich kategorisch, an SB-Kassen zu bezahlen. Erstens, weil mein allererster Versuch an der ersten Self-Service-Kasse bei Aldi schon vor ein paar Jahren so spektakulär schiefgegangen ist: Nach dem Scannen ungefähr der Hälfte der Artikel wurde einer plötzlich nicht angenommen und ich stand hilflos da, bis eine Kassiererin - unter den finsteren Blicken der Kunden in der Schlange an ihrer Kasse - ihren Platz verließ und mir beistand. Später erlebte ich es ich an der Kasse neben der SB-Kasse immer wieder mit, daß ich warten mußte, weil die Kassiererin bei der SB-Kasse helfen mußte. Eine besonders gute Werbung für dieses Angebot war das nicht gerade. 

Im Prinzip finde ich diese Kassen ohne Kassiererinnen noch nicht einmal eine schlechte Sache. Sie sind eine nützliche Ergänzung vor allem für Kunden, die nur einen oder sehr wenige Artikel kaufen wollen, und ersetzen in diesem Fall die vor Jahren zeitweise gebräuchlichen "Schnellkassen", an die man sich nur mit wenigen Artikeln anstellen durfe. Bei DM nutze ich Kassen zum Selbstscannen andauernd. Aber dort habe ich halt selten mehr als einen oder zwei Artikel, und ich habe dort auch noch nie erlebt, daß dort keine Möglichkeit bestand, stattdessen normal abkassieren zu lassen. Würde ich bei DM einen so gut gefüllten Einkaufswagen haben wie bei Aldi, wäre es mir auch dort allemal lieber, mich in die Schlange an der normalen Kasse einzureihen. 

Daß es neben dieser SB-Möglichkeit auch immer eine geöffnete normale Kasse gibt, darauf kann ich mich bei Aldi aber neuerdings nicht mehr verlassen. Ich habe jetzt sage und schreibe sechs Stippvisiten bei Aldi hinter mir, bei denen ich keine Wahl hatte, als zu einer der SB-Kassen zu gehen, die nun in zwei Dreierreihen hintereinander das Einkaufen zu einer Art Spießrutenlauf machen. Denn der Platz dort ist im Grunde zu knapp für sechs Kunden mit sechs Einkaufswagen. Noch schlimmer wird das Gedrängel, weil immer ein oder samstags meistens auch zwei Mitarbeiter dort hin- und herspringen, um den Leuten zu assistieren. In fünf der sechs Fälle habe ich den Laden ohne Einkäufe wieder verlassen. Die ersten beiden Male hatte ich einen vollen Einkaufswagen, den ich vorher wieder leergeräumt habe. Das passiert mir jetzt nicht mehr, weil ich nur noch zu Aldi gehe, wenn ich wenige Artikel brauche, denn beim zweiten Mal habe ich mir nur deshalb einen Einkaufswagen geholt, weil ich gesehen hatte, daß eine Bedienkasse geöffnet hatte. Dummerweise wurde sie aber ausgerechnet, als ich mich dort anstellen wollte, wieder geschlossen. 

Aber auch mit wenigen Artikeln ist der Bezahlvorgang so unangenehm geworden, daß ich mich auch in solchen Fällen bislang nur einmal dazu entschließen konnte, nicht auf dem Absatz umzudrehen und den Laden wieder zu verlassen. Und das habe ich sofort bereut. Denn diese SB-Kassen waren gerade alle belegt, und anstelle einer geordneten Schlange hatte sich vor ihnen ein unordentliches Kundenknäuel gebildet, aus dem zwei hektisch zwischen den Kassenreihen hin- und herspringende Mitarbeiter sich die Leute mit Zurufen an die jeweils gerade freiwerdende Kasse zu dirigieren versuchten. Dabei nahmen sie nicht die geringste Rücksicht auf die Kunden, die dort gerade noch ihre Einkäufe einzupacken hatten und es bestimmt ebenfalls unangenehm fanden, wenn hinter ihnen schon jemand darauf geierte, daß sie endlich den Platz an der Kasse freimachten. Unangenehm war es aber auch für die solchermaßen herumgescheuchten Wartenden.

Wer sich so etwas ohne zwingendes Erfordernis selbst antut, kann meiner Meinung nach nicht ganz dicht sein. Da Aldi diese SB-Kassen offenbar längst nicht mehr als ein zusätzliches Angebot betrachtet, sondern als alleinige Bezahlmöglichkeit etablieren will, werden sie sich mit den Kunden begnügen müssen, die kein Problem mit Hektik und Herumscheuchen im Kassenbereich haben. Mir ist auch schon aufgefallen, daß das typischerweise Kunden sind, die so wenig einzukaufen haben, daß sie keinen Einkaufswagen benötigen. Alle, die viel einkaufen möchten, machen es wohl mittlerweile genauso wie ich und gehen ein paar Häuser weiter zu Lidl.

Bis ich etwas anderslautendes von Aldi höre, gehe ich davon aus, daß diese SB-Kassen in nächster Zeit bei Aldi überall Standard werden sollen. Von einer anderen Aldi-Filiale kannte ich das Konzept, ganz auf geöffnete normale Kassen zu verzichten, nämlich schon, aber die hat einen etwas speziellen Standort und kann deshalb von vornherein fast nur mit Käufern rechnen, die nur kleine Einkäufe haben. Bei meiner Stammfiliale war das bislang aber nicht der Fall. Wenn einem das in dieser Filiale zugemutet wird, dann muß man über kurz oder lang also überall damit rechnen. Also kaufe ich künftig auch in anderen Aldi-Filialen nicht mehr ein. Ausnahme, wie gesagt, sind bestimmte einzelne Artikel, die ich anderswo nicht in derselben überzeugenden Qualität bekomme.

Nicht, daß es in einer längerfristigen Perspektive so viel Unterschied für Aldis Umsätze machen wird, ob ich dort einkaufe oder nicht. Nach meinem Umzug werden Discounter an mir sowieso nicht mehr viel verdienen, das zeichnet sich längst ab. Aber ich wünsche Aldi hiermit aus Verdruß über die kropfunnötige zusätzliche Belästigung neben der üblichen Kundenverwirr-Ladenumräumerei, nach der man die gewohnten Artikel erst findet, wenn man dreimal durch den gesamten Laden durchgehechelt ist, hiermit einen Umsatzeinbruch, der spektakulär genug ausfällt, um sie wenigstens von dieser Sache wieder gründlich zu kurieren.

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Und weil ich gerade bei Lebensmitteln bin: Vor zwei oder drei Wochen habe ich auf den Wochenmarkt die ersten Gaishirtle-Birnen gesehen und mußte mir natürlich sofort ein Pfund mitnehmen, obwohl sie noch steinhart waren. Sie lagen ein paar Tage, bis ich sie probiert und für gut befunden habe. Meistens ist es schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu finden, entweder sie sind noch zu hart oder sie fangen schon an zu vergammeln, aber diesmal ist es mir gelungen. Sie waren genau im richtigen Stadium: Knackig, aber nicht mehr hart. Und sehr süß! Deshalb kam mir dazu noch ein anderer Gedanke, den ich hier mal teilen möchte. Mir ist nach wochenlangem Nachhören im Seyfried-Charity-Channel nämlich mittlerweile aufgefallen, daß die evolutionsbiologischen Mutmaßungen, die ich bei Rainer Klement so harsch kritisiert habe, von Seyfried in großen Teilen geteilt werden, womöglich hat Klement sie auch direkt von ihm übernommen. Und, Überraschung: Nur weil mein Held Seyfried solche Dinge zu glauben scheint, heißt das noch lange nicht, daß ich mich dem anzuschließen bereit bin. Die Gründe, warum ich sie Klement nicht glaubte, gelten auch für Professor Seyfried. 

Der süße Geschmack von Wildfrüchten ist ja evolutionsbiologisch auch für etwas gut. Gaishirtle-Birnen sind zwar keine Wildfrucht, aber eine - wie der Name schon sagt - von Ziegenhirten entdeckte verwilderte Form, der sicherlich eine alte Zuchtform vorausgegangen war. Sie sind von niemandem für den verwöhnten Verbraucher optimiert worden. Sie sind klein und haben nur einen kurze Phase zwischen der steinharten Phase, in der man sich an ihnen die Zähne ausbrechen könnte, und dem Vergammeln. Aber sie haben ihre treue Fangemeinde, und deshalb werden sie auf dem Wochenmarkt jedes Jahr wieder angeboten, wenn sie gerade reif sind. Die besten Obstsorten, die ich kenne, sind überhaupt allesamt alte Züchtungen, ob das nun Birnen, Äpfel oder Zwetschgen sind. Für fast alle gilt, daß man sie nur innerhalb eines kleinen Zeitfensters ihrer Reifezeit ergattern kann. Typischerweise sind sie auch mühsamer zu ernten als die Früchte, die im Discounter angeboten werden, weil sie noch an "richtigen" Bäumen wachsen. 

Mit Obst in den USA kenne ich mich aber nicht aus. Es mag sein, daß dortige Züchtungen ja wirklich vor allem besonders süß sein müssen und sich von in Europa üblichen Züchtungen und natürlich dann auch noch stärker als unsere von der Süße wilder Früchte unterscheiden. Aber was hat Seyfried eigentlich gegen die Sorte Obst, die jahrtausendelang von Menschen nach der Jäger-und-Sammler-Zeit gegessen wurden, ohne daß dies zu Krebs als Massenphänomen geführt hat? 

Mir scheint es gut begründet, warum man eine Krebserkrankung durch ein Verfahren behandeln kann, zu dem eine Ernährungsweise gehört, die eine therapeutische Ketose zum Ziel hat. Dagegen leuchtet es mir nicht ein, daß es auch zur Krebsprävention erforderlich sein soll, sich ketogen zu ernähren (auch wenn es einem solchen Ziel bestimmt nicht schadet, dies zu tun). In der Antike, dem Mittelalter oder der frühen Neuzeit sind die Leute schließlich auch nicht massenhaft an Krebs gestorben, auch die nicht, die das Glück hatten, den allgegenwärtigen Infektionskrankeiten bis hin zu Seuchen wie der Pest zu entgehen. Mich würde aber tatsächlich mal interessieren, ob in der einschlägigen paläobiologischen Forschung tatsächlich ein Unterschied zwischen Jäger-und-Sammler- und Ackerbaukulturen feststellbar ist, was die Häufigkeit von Krebs betrifft, und wenn ja, ob es dabei um Häufigkeiten geht, die überhaupt einen Grund bieten, darüber nachzudenken. Ich glaube nicht so recht daran, daß ketogene Ernährung gegenüber konventioneller gesundheitliche Vorteile hat, die erwähenswert sind, jedenfalls dann nicht, wenn man Fertigprodukte vermeide. Sollte man Keto-Fertigprodukte verwenden, sehe ich im Gegenteil einen Nachteil gegenüber "normaler" Ernährung ohne Fertigprodukte.