Mein Gewicht heute früh nach vier aufeinanderfolgenden Fastentagen: 77,2 Kilogramm. Neues Tiefstgewicht also leider verfehlt. Aber das hatte sich schon seit Montag abgezeichnet, obwohl die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt. Mit einem Startgewicht von 82,5 Kilogramm lag ich einfach noch zu nahe an dem Startgewicht beim letzten langen Fastenintervall vor dem Urlaub, und da war ein neues Tiefstgewicht nur zu erwarten, wenn auch die Gesamtabnahme wieder entsprechend hoch ausgefallen wäre. Diesmal war sie aber nur durchschnittlich. Das ist der Nachteil, wenn man ein ungewöhnlich erfolgreiches Intervall hinter sich hat, beim nächsten Mal ist man dann meistens enttäuscht.
Na ja, neues Fastenintervall, neues Glück. Sprechen wir uns Montag übernächste Woche wieder. Sollte ich da unter 82 Kilo anfangen können, müßte es zum Freitag auch ein überzeugendes neues Tiefstgewicht geben.
***
Eigentlich hätte ich eine ganze Latte interessanter Nachrichten und Studien zu erwähnen und teils über sie abzulästern, aber das muß bis zum nächsten Mal warten, denn Gevatter Tod, der olle Sensenmann, verfolgt mich gerade irgendwie aus diversen Richtungen. Falls er mir damit auf subtile Weise etwas sagen will, möchte ich mir das aber in dieser Form ernstlich verbitten.
Ich sitze nämlich gerade an einem Projekt, bei dem es unter anderem um eine theologische Aufarbeitung des Todes geht, und zwar von einem Theologen, der selbst todkrank war (und an dieser Krankheit starb) und begreiflicherweise wenig Geduld mit salbungsvollen aufs Jenseits vertröstende Phrasen aufbrachte. Das gibt natürlich viel Stoff zum Denken. Ausgerechnet jetzt erreichte mich auch die Nachricht vom Krebstod einer noch ziemlich jungen Frau aus meinem erweiterten Familienkreis - sie hinterließ neben ihrem Mann auch zwei Kinder, die die Pubertät noch nicht erreicht haben -, die ich zwar nicht persönlich gekannt habe, an deren Krankheitsgeschichte ich aber ziemlich intensiv Anteil genommen hatte. In den letzten Wochen wurden die Nachrichten von ihr recht beunruhigend; trotzdem hat mich ihr Tod zum jetzigen Zeitpunkt überrumpelt. Sie stand kurz davor, in eine Studie mit einem vielversprechenden neuen Ansatz aufgenommen zu werden. Vielleicht hätte sich die neue Methode ja als Durchbruch herausgestellt. Eierstockkrebs zählt ja zu den Krebsarten, vor denen die Behandler nach wie vor ziemlich ratlos stehen, aber das muß ja nicht für immer so bleiben. HER2-positiver Krebs war so lange der fieseste Brustkrebs von allen, daß sogar ein Peter Attia, den ich eigentlich für gut informiert halte, auf Studien hereingefallen ist, in denen ältere Daten dieses Bild immer noch ergaben. Ich weiß nicht mehr, in welchem seiner Podcasts er davon sprach, aber mittlerweile stimmt das eindeutig nicht mehr - glücklicherweise.
Natürlich war ich nie nahe genug dran an der Sache, um ausreichend beurteilen zu können, wie es um die jetzt Verstorbene wirklich steht, aber ich hatte nicht damit gerechnet, daß sie dem Tode schon so nahe sein könnte.
Aber alle Hättes, Wenns und Abers sind jetzt obsolet. Sie lebt nicht mehr. Die Sache ist final entschieden.
Das besonders Gemeine ist, daß es nach schmerzhaften letzten zwei bis drei Wochen auch noch ein richtig schweres Sterben gewesen sein muß. Näheres erfahre ich dazu bestimmt noch, und ich freue mich überhaupt nicht darauf, aber ich finde nicht nur, daß ich das meiner Ansprechpartnerin schuldig bin, die es live miterlebt hat, mir das anzuhören, sondern ich meine außerdem, solche Dinge sollte man auch für sich selbst wissen. Das Sterben kommt ja früher oder später auch auf einen selbst zu. Bis dahin so wenig wie möglich darüber wissen zu wollen, ändert nichts daran. Ich schaue mir das Monster hinter der Tür im Zweifelsfall lieber aus der Nähe an, als mich vor der Tür zu gruseln.
Die spannendste Frage ist aber natürlich, was sich eigentlich hinter der Tür befindet, die man beim Sterben durchschreitet.
Neulich erst habe ich auf Twitter die Frage nach dem, was wohl nach dem Tod von unserer Seele übrig bleiben wird, so beantwortet:
Das meine ich auch wirklich so. Die Frage nach den letzten Dingen, also das, was die Entstehung von Religionen wohl maßgeblich mitausgelöst hat und vermutlich der Hauptgrund ist, warum viele von ihnen bis heute bestehen, vor allem die beiden Fragen "Wo war ich, bevor ich geboren wurde?" und "Wo werde ich sein, nachdem ich gestoben bin?", hat schon vor Jahren aufgehört, mich zu beschäftigen, nachdem ich eingesehen hatte, daß niemand eine überzeugende Antwort darauf zu geben hat - und das gilt auch für die negative Seite, also diejenige, die fest daran glaubt, daß nach dem Tod gar nichts mehr kommen wird, wie das etwa Medizin und Epidemiologie ebenfalls unausgesprochen voraussetzen, wenn sie eine Lebensverlängerung, und sei es nur um ein paar Tage, generell als besser erachten als eine entsprechende Verkürzung. Das hat in dieser Absolutheit nur dann einen Sinn, wenn, nachdem man gestorben ist, nichts mehr nachkommen kann, jedenfalls nichts, das positiver wäre oder sein könnte als eine Lebensverlängerung, egal, wie deren Umstände ausfallen. Im Grunde ist das nicht weniger dogmatisch als die Bemühungen der Heiligen Inquisition, mit Folter und Scheiterhaufen die Seelen derjenigen zu retten, die sich dem Teufel verschrieben haben sollten, wie sie das jedenfalls mit derselben Gewißheit oft glaubten, mit der auch ein Ernährungswissenschaftler an die Kalorien glaubt. Aus jener Perspektive war alles dem Verlust des Seelenheils im Jenseits vorzuziehen, also taten sie, was sie taten, zum vermeintlichen Besten auch ihrer Opfer.
Also, alle Antworten, die man so aus verschiedenen Richtungen bekommen kann, sind in Wirklichkeit gar keine. Ich werde mich also live überraschen lassen müssen, ob nach dem Lebensende noch etwas kommt und wenn ja, was das sein wird. Das Sterben ist so gesehen eine Tür, hinter der mich irgendetwas erwartet, und ich weiß nicht, was das ist. Aber dafür, daß es ausgerechnet das sprichwörtliche Stephen Kingsche Monster hinter der Tür ist und dann alles noch viel gräßlicher wird für mich, spricht eigentlich nicht besonders viel.
Grundsätzlich finde ich es naheliegend, anzunehmen, daß man nach dem Lebensende wieder dort ist, wo man vor dem Lebensanfang war, was zwei Möglichkeiten eröffnet: Entweder da gibt es etwas, wo man vorher war und dann wieder hinkommt; in diesem Fall wäre das Leben als solches nur ein - vielleicht sogar nur kleiner - Teilabschnitt der gesamten Existenz, in welcher Form auch immer man sie sich vor und nach dem Leben vorzustellen hat. Oder es gab vorher nichts und wird nachher auch nichts geben. In dem Fall lebt man - abgesehen von den biologisch abbaubaren sterblichen Überresten, die in den Kreislauf des Lebens anderer Lebensformen aufgenommen werden - nur indirekt in den Erinnerungen weiter, die andere an einen haben, was zwangsläufig bedeutet, daß die letzten Spuren der Existenz bei fast allen spätestens nach drei Generationen erlöschen, wenn die Verwandten, die einen noch persönlich gekannt haben, ebenfalls sterben. Ich habe, halb im Spaß, halb im Ernst, schon seit Jahren von meinem kleinen Ehrgeiz gesprochen, in den Geschichtsbüchern wenigstens als Fußnote mit vorzukommen. Dabei hatte ich immer auch mit im Hinterkopf, daß das meine so verstandene Existenz verlängern würde.
Solange man über den Tod nachdenken kann, ist man selbst offensichtlich noch am Leben. Der eigene Tod bleibt so immer eine Fiktion, wenn man über ihn nachdenkt. Der Tod wird immer nur als der Tod eines anderen erfahren, als die größere oder kleinere Lücke, die er im eigenen Leben reißt.
Eigentlich ergibt es nicht viel Sinn, Angst vor dem eigenen Tod zu haben, denn entweder es geht irgendwie weiter, und warum sollte man damit rechnen, daß es schlechter wird als das, was man gerade hat? Oder es geht nicht weiter, und dann hat man eigentlich ja erst recht keinen Grund, sich davor zu fürchten oder alle möglichen häßlichen Dinge für besser als dies zu halten. Die Angst kommt wohl davon, daß der Tod des anderen für gewöhnlich ein schmerzlicher Verlust ist.
Wir haben bei mir in der Stadt einen alten Friedhof, auf dem fiel mir vor sicherlich schon dreißig Jahren eine Inschrift auf einem Grabstein auf, der einer jungen Ehefrau so um die Mitte des 19. Jahrhunderts von ihrem Witwer gesetzt worden war. Die Inschrift lautete sinngemäß "Sie antwortet mir nicht mehr!". Für den exakten Wortlaut kann ich mich nicht verbürgen. Es las sich jedenfalls wie ein verzweifelter Aufschrei. Der Satz fiel mir auf, weil er so sehr aus dem Rahmen der üblichen Grabinschriften fiel. Keine Frage, dieser Mann hatte seine verstorbene Frau geliebt und deshalb in den geläufigeren Floskeln nicht das ausgedrückt gefunden, was er empfand, und es selbst formulieren wollen. Ich habe vor zwei, drei Jahren noch einmal nach diesem Grabstein gesucht, ihn aber nicht wiedergefunden. Möglicherweise ist die Schrift in den letzten Jahrzehnten zu stark verwittert, um sie noch lesen zu können, denn es sind dort bedauerlich viele Grabinschriften mittlerweile unleserlich geworden. Gerade wird dort restauriert, bis das fertig ist, kann es aber Jahre dauern, und wer weiß, ob man sich nicht auf die Namen und Lebensdaten konzentriert und dieser Satz gar nicht bemerkt wird.
Vielleicht bin ich also bereits die einzige, der dieser Satz auf dem Grabstein überhaupt noch im Gedächtnis war. Also halte ich die Existenz dieser beiden - ohne freilich ihre Namen noch zu wissen - jetzt mal präventiv aufrecht, indem ich anderen Leuten davon erzähle. ;-)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen